"Christ sein, heißt politisch sein!"
28.05.2014

"Christ sein, heißt politisch sein!"

Der BDKJ-Vorstand im Wahl-Interview

Der Wahlsonntag ist gelaufen und in Düsseldorf, Berlin und Brüssel werden die Ergebnisse der fast europaweiten Wahl zum EU-Parlament sowie der Kommunalwahl in NRW sondiert. Bei manchen Parteien ist Wunden-lecken angesagt, andere sind in Champagnerlaune. Im Erzbistum Paderborn durften tausende junge Menschen an die Wahlurnen gehen, die Jugendverbände im BDKJ hatten kräftig die Werbetrommel gerührt, um für die Stimmabgabe zu mobilisieren. In der Zentrale beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in Paderborn hat JUPA mit Annika Manegold und Sebastian Koppers vom Diözesanvorstand kurz vor der Abreise zum Katholikentag über die Wahl gesprochen.

Die Wahl ist gelaufen. Gut oder schlecht für die jungen Menschen im Erzbistum?

Sebastian Koppers: Wahlen sind immer gut für junge Menschen. Hier können sie ihre Stimme abgeben und so Einfluss auf unsere Gesellschaft ausüben. Wie wichtig freie Wahlen tatsächlich sind, konnten wir alle am Beispiel der Wahlen in der Ukraine auch am letzten Sonntag erleben. Bei Kommunal- und Europawahlen am letzten Wochenende durften ja auch alle ab 16 Jahren wählen – darüber freuen wir uns sehr. Für die Wahlen in den Landtag in NRW setzen wir uns gerade massiv dafür ein.

Das große Aufreger-Thema ist das gute Abschneiden einiger rechtspopulistischer Parteien in unseren Nachbarländern. Wie beobachtet ihr das?

Sebastian Koppers: Mit großer Sorge! Politik ist manchmal anstrengend – es ist notwendig mit wachem Blick und auch differenziert hinzugucken. Die rechtspopulistischen Parteien bieten vermeintlich einfache Antworten und bedienen Klischees. Wir sind sicher, dass politische Bildung, wie sie in Jugendverbänden, Jugendbildungsstätten oder auch den offenen Türen vielfach angeboten wird, deutlich dabei hilft, dass junge Menschen eben nicht auf diese Klischees hereinfallen, sondern sich selbst eine kritische Meinung zum aktuellen Geschehen bilden können.

Vor einigen Jahren haben die Jugendverbände in unserem Erzbistum mit Erfolg eine Kampagne gegen rechte Politik gefahren. Braucht es davon zukünftig eine Neuauflage?

Annika Manegold: Es braucht immer wieder Kampagnen, Bildungsangebote oder Begegnungsfahrten, die es jungen Menschen ermöglichen, sich mit den Gefahren extremistischer Politik zu beschäftigen. Für die katholischen Jugendverbände ist das ein ständig aktuelles Thema. Der BDKJ Stadtvorstand Dortmund arbeitet z.B. intensiv in Bündnissen dort mit, die sich gegen die rechte Szene in Dortmund positionieren. In Kooperation mit den Michaelsschulen in Paderborn führt der BDKJ in den Herbstferien eine Gedenkstättenfahrt nach Ausschwitz durch, in verschiedenen Jugendringen sind wir mit Aktionen und Kampagnen gegen Rechtsextremismus beteiligt. Wir halten das Thema wach – nicht zuletzt auch immer wieder durch unsere demokratischen Strukturen.

Was erhoffen sich die Jugendverbände von den neuen Parlamentariern in Brüssel für die Jugend? Welche Themen beschäftigen die jungen Europäer?

Annika Manegold: Junge Europäer beschäftigen ganz unterschiedliche Themen: Ein Thema das aber alle eint, sind die Fragen von Bildungsmöglichkeiten, Arbeitsplätzen und sozialer Gerechtigkeit. Wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Hohe Zahlen von Jugendarbeitslosigkeit in Portugal oder Spanien sind sicherlich drängend, um nicht einer ganzen Generation Lebenschancen zu nehmen. Europapolitiker stehen generationsübergreifend vor der großen Aufgabe, ihre Tätigkeit gut zu kommunizieren. Denn nur wenn wir alle wissen, welche Entscheidungen wie in Brüssel oder Strassburg zustande kommen, können wir der EU-Verdrossenheit zuvor kommen.

Für die Jugendgruppen und Verbände vor Ort ist die Kommunalwahl auch immer sehr spannend. Es geht um konkrete Interesse, die Jugendhilfeausschüsse werden neu besetzt. Was erhofft ihr euch von den Kommunalpolitikern?

Sebastian Koppers: Nach vielen Jahren in denen sich Kommunalparlamente sehr viel mit KiTa-Poltik beschäftigt haben, wird es dringend notwendig, dass Jugendpolitik wieder ein starkes Thema in den Räten und Ausschüssen wird. Für die kommenden Jahre erwarten wir eine eigenständige Jugendpolitik, die die Bedürfnisse junger Menschen wirklich umsetzt. Dazu starten wir in diesen Tagen unsere erfolgreiche jugendpolitische Strategie „U28“ auch auf der kommunalen Ebene. Mehr dazu unter www.bdkj-paderborn.de/u28.

Das heißt konkret?

Sebastian Koppers: Auch in den kommenden Jahren wird die Unterstützung ehrenamtlich getragener Jugendarbeit ein Dauerbrenner bleiben. Die Diskussionen um die erweiterten Führungszeugnisse sind dafür nur ein Beleg.Insgesamt werden wir die unterschiedlichsten Formen der Partizipation von Kindern und Jugendlichen an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen vorantreiben und einfordern.

Früher galt die CDU als Ansprechpartner für die Jugendverbände als gesetzt. Das hat sich heute geändert, oder?

Annika Manegold: Katholische Jugendverbände machen und machten überparteiliche Jugendpolitik. Die Interessen junger Menschen sind unsere Anliegen und die vertreten wir gern und deutlich. Daher sind wir sehr regelmäßig mit PolitikerInnen aller Parteien im Gespräch. In den letzten Wochen haben wir z.B. Landtags- und Bundestagsabgeordnete der CDU, der SPD und der Grünen quer durchs Bistum getroffen und mit ihnen durch die „U28-Brille“ geschaut. Während der 72-Stunden-Aktion im letzten Jahr haben wir Abgeordnete aller Landtagsfraktionen und viele Kommunalpolitiker getroffen.

Die Parteienlandschaft wird auch in den Räten immer bunter, wird das zu einem Problem für die Interessen der Jugendverbände oder seht ihr darin eine Chance?

Sebastian Koppers: Eine Vielfalt im Rat spiegelt hoffentlich auch die Vielfalt in unserer Gesellschaft wieder. Das ist grundsätzlich erstmal gut. Gleichwohl brauchen wir natürlich kompetente Ansprechpartner in den Räten. Ob jede kleine Fraktion sich mit den Details von Jugendpolitik befassen kann – da sind wir skeptisch.

Interessenvertretung durch den BDKJ wäre sicher nicht nötig, wenn die Politik in den Rathäusern alles im Sinne der Jugend machen würde. Wo seht ihr die größten Baustellen?

Annika Manegold: Die größte Baustelle bearbeiten wir bereits mit der Strategie U28 – junge Menschen werden zu häufig nicht als junger Mensch an sich betrachtet, sondern in ihrer Rolle als „Schülerin“, „KiTa-Kind“ oder auch als „Störerin“. Auch die Frage von Generationsgerechtigkeit mit Blick auf den demographischen Wandel ist spannend. Wo bleiben die Interessen junger Menschen bei einer zunehmend alternden Gesellschaft?

Da sind sicher Konflikte mit der Politik vorprogrammiert...

Annika Manegold: Oh, ja. Die Stellungnahmen von jungen Politikern aller Parteien zum Rentenpaket in der letzten Woche sind sicherlich nur ein Vorgeschmack.

Jetzt haben wir viel über die Politiker gesprochen. Was wünscht ihr euch von den Jugendlichen!?

Sebastian Koppers: Seid Katholisch – politisch – aktiv! Unser Slogan ist auch hier ein Ansporn: Seid aktiv, mischt euch ein, sprecht mit euren Politikern und macht das motiviert durch den Glauben. Christ sein, heißt politisch sein!

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Annika Manegold

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