Von der Lust, die Wohnungseinrichtung immer wieder zu verändern.
»Es sollte schließlich so richtig gemütlich werden.
Hyggelig nennen das die Dänen.«
Besonders anfällig bin ich für die Umgestaltung immer dann, wenn sich auch das Wetter draußen verändert. Vergangenen Winter über hat in unserer Wohnung der helle skandinavische Stil Einzug erhalten. Es wurden überwiegend weiße Kissenbezüge für die Couch gekauft und Lammfelle über die Stühle gezogen. Es sollte schließlich auch so richtig gemütlich werden. Hyggelig nennen das die Dänen. Auch ein weißer flauschiger Teppich durfte bei mir einziehen. Je näher das Weihnachtsfest rückte, umso mehr Kerzen wurden aufgestellt und eine weiße Wolldecke aus Mohair, die fürchterlich fluste und mich finanziell an den Rand des Ruins brachte, legte sich quer über unsere Couch.
Mit diesem kühlen nordischen Flair habe ich es bis Anfang März ausgehalten. Als es immer wärmer wurde und die Sonne sich öfter zeigte, fühlte ich mich in der weißen und fellüberzogenen Wohnung nicht mehr richtig wohl. Also mussten die Felle und die weißen Kissen in den Keller und ein neuer Teppich in frühlingshaftem Rosé-Ton zog ein. Für den Moment war ich zufrieden – für den Moment. Als es dann im Spätherbst immer früher dunkler wurde, hatte ich im Innern das starke Bedürfnis nach mehr Licht. Dass Farben eine unterbewusste Wirkung auf unsere Stimmungswelt haben, wissen natürlich auch viele Wohnexperten.
Warum ist die Zufriedenheit über das Erreichte nur von so kurzer Dauer?
Da auch das Thema „Wohneigentum“ bei meinem Mann und mir jetzt immer öfter Gesprächsthema ist, finde ich meinen aktuellen Einrichtungstick manchmal sogar durchaus sehr hilfreich. So kann ich mich deko- und einrichtungstechnisch in unserer Mietwohnung austoben und habe dann bis zum Einzug ins Eigenheim vielleicht meinen Stil gefunden. Obwohl, da war doch was: der ständige Zwang, etwas zu verändern. Ich werde mich halt einfach überraschen lassen, wie sich das bei mir entwickelt. Bis dahin räume ich weiter um und probiere neue Wohntrends aus.
Natürlich geht das ständige Umstylen der eigenen Wohnung auch ziemlich ins Geld. Denn was einmal da gewesen ist, verliert auch mit der Zeit seinen Reiz und etwas Neues muss her. Was hier helfen kann, ist der DO IT YOURSELF-Trend. Im Frühling kann man die Deko aus Blumen und Gräsern prima selber basteln. Im Herbst liegen Kastanien und farbenfrohes Laub als Gratis-Deko auf den Wegen. Jetzt, im Winter, bieten sich Tannenzweige aus dem Garten und getrocknete Zapfen an. Das schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt.
»Vielleicht verrät dieser Veränderungszwang auch etwas mehr über mich als Person, als ich zunächst glauben wollte.«
Gelegentlich frage ich mich auch, ob ich die eigene Einrichtung so extrem wichtig nehmen muss und nie mit etwas zufrieden sein kann, was ich umgestaltet habe. Einfach mal die Füße hochlegen zu können und zu sagen: es sieht doch super aus, das bleibt jetzt auch erstmal eine Zeit lang so. Vielleicht verrät dieser Veränderungszwang auch etwas mehr über mich als Person, als ich zunächst glauben wollte. Warum ist die Zufriedenheit über das Erreichte nur von so kurzer Dauer? Ist es nicht auch schön, einfach mal ruhig zu werden und sich bewusst zu machen, wie viel Glück wir haben, dass es uns so gut geht. OK, ich möchte jetzt nicht die Moralkeule auspacken, frei nach dem Motto: „Freut euch doch über das was ihr habt, anderen Menschen geht es so viel schlechter.“
Kürzlich habe ich etwas erlebt, das mir hier vielleicht ein bisschen mehr die Augen geöffnet hat und mir zeigte, dass das Glück nicht immer nur von der richtigen Teppichfarbe abhängt. Um mehr Stauraum zu schaffen (und weil mir die Farbe nicht mehr gefiel), hatten wir uns entschieden, einige Wohnzimmerregale und einen Schrank auszusondern und eine neue Kommode zu kaufen. Da die Regale noch gut erhalten waren, entschieden wir uns, diese nicht zu entsorgen, sondern in unserer Kirchengemeinde ans schwarze Brett zu hängen. Tatsächlich meldete sich kurz darauf eine junge Flüchtlingsfamilie aus dem Iran, die in einer kleinen Wohnung in Dortmund noch komplett ohne Möbel wohnte. So fuhren mein Mann und ich an einem Samstag mit den auseinandergebauten Regalen und einem Teppich, der für mich farblich nicht mehr in die Saison passte, zu dieser Familie.
Für mich war das ein ganz besonderes Erlebnis. Es hat mich total berührt zu sehen, wie sehr die Mutter und ihre zwei Söhne sich über unsere Möbel, die mir nicht mehr gefallen hatten, gefreut haben. Sie wohnten tatsächlich noch komplett ohne Einrichtung, nur ein kleines Sofa stand schon im Wohnzimmer. Umso größer war ihre Dankbarkeit. Wir wurden total herzlich umarmt und haben bei einer Tasse Tee dann eine Weile zusammen gesessen.
Dieses Erlebnis half mir dabei mir vorzunehmen, zukünftig einfach auch mal zufriedener mit dem zu sein, was ich gerade habe. Ganz mit dem Umstylen werde ich natürlich nicht aufhören, dazu tobe ich mich einfach zu gern kreativ aus. Aber vielleicht kann ich mein Deko-Talent zukünftig auch öfters mal häufiger einsetzen, um anderen damit zu helfen. Mein Bruder zieht nämlich passenderweise bald in eine neue Wohnung.