Über Geschwindigkeit, Gemeinschaft, Motorengeräusche und Taizé-Gesänge
Früher schraubte Simeon Halbach an Fahrzeugen von Lego Technik herum, heute baut er Rennwagen. Richtig gelesen. Es geht nicht um eine Seifenkiste, sondern um Rennwagen, mit denen Simeon Halbach und sein Team auf internationalen Rennstrecken an den Start gehen. Der 21-Jährige studiert Maschinenbau an der Universität Siegen und ist nebenbei Teamleiter des s3-Racing-Teams. Er liebt Geschwindigkeit und sportlichen Wettkampf. Und im Schrauben findet er auch eine Parallele zu seinem Glauben.
»Ich brauche den sportlichen Wettbewerb. Aber ich brauche auch meinen Glauben. Was für mich zählt, ist die Gemeinschaft. Die steht am Ende über Leistung und Ergebnis.«
Simeon Halbach
Leiter des s3-Racing-Teams
„Wir standen da, wo sonst die Formel-1-Rennwagen stehen, mit unserem selbstgebauten Auto. In Ungarn durfte ich selbst unseren Wagen fahren. Dort auf der Rennstrecke Vollgas zu geben, war ein unvergessliches Gefühl“, erinnert sich Simeon.
Der Rennwagen war vorher in monatelanger Teamarbeit entstanden. Von der Planung bis zur letzten Schraube.
„Schrauben war für mich schon immer pure Faszination“, sagt Simeon. Alles Mögliche auseinander- und wieder zusammenschrauben, um zu verstehen, wie es funktioniert – das hat ihn von Kind an begeistert.
S3 steht für Speeding Scientists Siegen. Rund 40 Studierende aus den unterschiedlichsten Fachbereichen der Universität Siegen stellen sich gemeinsam immer wieder der Herausforderung, in nur einem Jahr einen Rennwagen komplett neu zu bauen. Studierende des Fahrzeugbaus, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und des Wirtschaftsingenieurwesens kümmern sich um die Planung, Konstruktion, Fertigung und Inbetriebnahme des Wagens. Den wirtschaftlichen Teil übernehmen Studierende der Wirtschafts- und Medienwissenschaften. Sie erstellen einen professionellen Businessplan, sind für das Gewinnen von Sponsoren und Unterstützern verantwortlich sowie für Controlling und Marketing.
Mit den selbstgebauten Rennwagen gehen die Studierenden bei internationalen Rennen in der Formular Student an den Start.
Zu Simeons Team gehören 40 Teammitglieder sowie Sponsoren und Unterstützer. Er sagt: „Als Teamleitung lerne ich einiges über Projektmanagement und Führungsqualitäten. Jeder muss eigenständig und selbstverantwortlich arbeiten. Aber für mich persönlich ist Teamwork entscheidend“. Die Gemeinschaft im Racing-Team ist ihm besonders wichtig. „Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass wir gemeinsam Dinge schaffen, die auf den ersten Blick unmöglich scheinen.“
Zusammen macht das Racing-Team das Unmögliche möglich. Eine Situation, in der Simeon das besonders gespürt hat: In der vergangenen Saison ist das Fahrwerk des Rennautos gebrochen. 5 Tage vor einem wichtigen Event in den Niederlanden. Bei einer Testfahrt hat ein Bauteil versagt und ist gebrochen. Ein Rad flog quer über die Rennstrecke.
„Das war ein Schock für das Team“, erzählt Simeon. „Man hätte in diesem Moment aufgeben können, denn normalerweise wartet man auf solche Teile mindestens einen Monat“, erinnert er sich. Aber die Sponsoren haben sofort Hilfe geleistet. „Und dass wir dank guter Zusammenarbeit dann innerhalb von 4 Tagen den Rennwagen wieder startklar hatten, war ein großes Erlebnis.“
Bei den internationalen Rennen geht es natürlich um den Sieg. „Wir versuchen, uns im Wettkampf gegen andere Teams zu behaupten“, sagt der 21-Jährige. Im Mai stellte er mit seinem Team nach sechs Monaten Arbeit das neueste Rennauto „Merida“ vor. Besonders stolz ist das Team auf das einteilige Gestell des Fahrzeugs: Es ist das dritte Alu-Mono der Vereinsgeschichte und eins der wenigen Alu-Monos weltweit, das das Bild des Rennwagens prägt. Eines der Alleinstellungsmerkmale des Siegener Racing-Teams.
„Wir versuchen, uns von der Masse abzuheben und etwas Besonderes zu sein. Aber es ist eher ein freundschaftlicher Wettkampf. Natürlich will man gewinnen, aber wir können uns auch füreinander freuen.“ Simeon ist bei diesen Events die Gemeinschaft unter den technikbegeisterten Studierenden wichtig. Egal wer gewonnen hat, nach dem Rennen stehen sie bei einem Kaltgetränk zusammen und tauschen sich über die Rennwagen aus. Faszination verbindet.
Wenn Simeon nicht im Rennwagen sitzt, kommt es vor, dass er in Taizé mit Hunderten jungen Menschen in der Kirche kniet. Seit seinem 14. Lebensjahr fährt er jedes Jahr mit einer Gruppe aus seiner Heimatgemeinde in das kleine Dorf in Frankreich. Meditative Gesänge statt Motorengeräusche. Stille statt Vollgas.
„Glaube war und ist ein wichtiger Teil meines Lebens“, sagt Simeon. Für ihn hat Glaube viel mit Gemeinschaft zu tun. „Taizé ist ein Ort, wo ich diese Gemeinschaft spüre. Mit so vielen tausend Menschen an einem Ort zu sein, die einen gemeinsamen Glauben und eine ähnliche Ausrichtung haben, hat mir schon immer gut gefallen.“ Solche gemeinschaftlichen Erlebnisse geben Simeon immer wieder Kraft und Ruhe.
Der 21-Jährige baut nicht nur Rennwagen. Er fährt in seiner Freizeit Kart und bouldert seit knapp zwei Jahren in der Boulder-Bundesliga. Es geht bei seinen Hobbies um Geschwindigkeit, um Kraft und Leistung. Für Simeon ist das kein Widerspruch zu seinen Erfahrungen in Taizé. Er sagt: „Ich liebe beides. Ich brauche den sportlichen Wettbewerb. Aber ich brauche auch meinen Glauben. Was für mich zählt, ist die Gemeinschaft. Die steht am Ende über Leistung und Ergebnis.“