Junge Pilgeirnnen in Fatima
31.07.2023
WELTJUGENDTAG

Fatima

WJT-Pilger erkunden den größten Wallfahrtsort Europas auf dem Weg nach Lissabon

von Tobias Schulte

Der Blick, den Antonia Hansjürgens hat, beeindruckt und überwältigt sie. Die 23-Jährige aus Delbrück-Ostenland ist im Heiligen Bezirk von Fatima. Vor ihr beherbergt der Vorplatz der Basilika tausende Pilgerinnnen und Pilger. Es ist wuselig und laut. Gruppen mit gleichfarbigen T-Shirts und Fahnen von Frankreich, Peru, Italien und Schottland ziehen an Antonia vorbei. Trotz der Menschenmassen scheint der Platz noch unendlich viele Menschen aufnehmen zu können. Antonia blickt zur Basilika hinauf, die über dem Platz thront. Ihr Blick fokussiert sich wie von allein auf die Kirche. Dort möchte sie auch hin.

Antonia ist mit 15 Pilgerinnen und Pilgern aus Delbrück und Hövelhof unterwegs. Sie sind Teil der Gruppe von 250 jungen Menschen aus dem Erzbistum Paderborn, die zum Weltjugendtag nach Lissabon fahren. Und heute, auf dem Weg von Porto nach Lissabon, führt kein Weg an Fatima vorbei. Einerseits, weil der Wallfahrtsort direkt auf dem Weg liegt. Andererseits, weil in Fatima ein besonderer Herzschlag der portugiesischen Spiritualität spürbar sein soll. Auch für Antonia?

Kurz zur Geschichte des Wallfahrtsorts: Im Jahr 1917 ist die Gottesmutter Maria drei Hirtenkindern begegnet. Sechs Mal. Sie hat sich ihnen in einem besonderen Leuchten gezeigt und zu ihnen gesprochen. Am Anfang hat den Kindern niemand geglaubt, doch bei der letzten Begegnung waren Zehntausende dabei. Sie haben zwar nicht Maria gesehen, aber dafür ein Sonnenwunder. Es wird berichtet, dass die Sonne tanzte und es so aussah, als würde sie auf die Erde hinabstürzen.

Antonia Hansjürgens
Vorplatz der Basilika in Fatima.

Unruhe im Ort des Glaubens

Durch die Erscheinungen und das Wunder von Fatima wurden Skeptiker zu Glaubenden. Und Fatima wurde zu einem Ort, zu dem jedes Jahr Millionen Menschen pilgern. So auch Antonia. Sie geht die Treppen hinauf zur Basilika. Vor dem Eingang drängen sich Hunderte junge Menschen. Mit tapsenden Schritt bewegt sich die Masse in die Kirche hinein. Drinnen angekommen sagt Antonia: „Die Kirche ist schön. Aber zur Ruhe kommen kann ich hier nicht.“ Die Bänke sind alle belegt, viele Menschen machen Fotos und reden miteinander. Ordner schleusen die Gruppen durch die Kirche. „Das ist ja fast wie bei einem Museumsrundgang“, sagt Antonia.

Viele Gruppen sind am Montag, 31. Juli, auf dem Weg nach Lissabon und halten in Fatima. Viele sind nur eine, zwei oder drei Stunden im Heiligen Bezirk. Sie sind neugierig darauf, den Ort zu sehen. Man muss mal da gewesen sein. Eigentlich schräg, denn Fatima ist ein Wallfahrtsort. Ein Ort des Gebets, ein Ort der Ruhe – und keine Sehenswürdigkeit.

Ein Priester segnet einen Pilger in Fatima.

Welche Fragen hast du an Maria und Gott?

Deshalb gestaltet die Gruppe aus Delbrück und Hövelhof nun selbst ein Gebet. Sie versammeln sich unter den Kolonnaden, breiten Decken aus und setzen sich darauf. Was singen wir zum Anfang? Wer liest die Lesung?

Pastor Guido Potthoff eröffnet. Sie singen ein Marienlied. Gemeindereferent Jan-Niklas Kleinschmidt hält einen Impuls. Er sagt, dass die jungen Hirtenkinder bei den Erscheinungen Maria viele Fragen gestellt haben. Er sagt: „Deshalb lasst uns Kleingruppen darüber sprechen, was unsere Fragen an Maria und Gott sind."

Antonia findet zwei Gesprächspartner. Sie setzen sich zwei Meter weiter. Die 23-Jährige eröffnet die Runde: „Ja, im Prinzip habe ich diese große Frage: Wie kann es sein, dass Gott gut ist und es doch so viel Leid auf der Welt gibt? So viel Schlechtes?“ Es entwickelt sich ein Gespräch darüber, wie jeder Mensch durch seine Familie und Kindheit geprägt ist. Dass für Menschen das Leben evolutionär bedingt immer schon ein Kampf war. Dass man das Gefühl hat, es könnte immer noch besser sein. Und, dass jeder Mensch verletzlich ist.

»Ich bin nicht die große Marienverehrerin. Aber ich verstehe Maria als eine Hilfe zu Gott. Sie war ja Mutter und symbolisiert daher für mich den Schutz einer Mutter, den uns Gott schenkt. Das finde ich eine schöne Vorstellung.«

Antonia Hansjürgens

Pilgerinnen und Pilger, die auf Knien beten.

Antonia kann gut damit leben, dass die zwei Stunden in Fatima sie nur bedingt begeistern. Sie sagt: „Vielleicht merke ich ja dadurch, dass ich diese Form der Frömmigkeit nicht brauche. Dass ich egal wo und auch im kleinen Rahmen beten kann. Ich bete zuhause vor dem Schlafengehen, bin gern in meiner Heimatkirche und fühle mich in der Natur Gott sehr nah.“

Nachfrage: Und wie spürst du Gott in der Natur. Sie sagt: „Das klingt jetzt ziemlich deep, aber: Wenn der Wind weht und ich einen Windhauch auf meiner Haut spüre, dann umgibt mich so eine Macht. Eine Stärke. So ein Ich-bin-da-Gefühl“.

"Etwas erlebt, das nicht von dieser Welt sein könnte"

Kurzinterview mit Jugendpfarrer Tobias Hasselmeyer zu Fatima

Was fasziniert dich an Fatima?
Bevor ich hier war, haben mich vor allem die Bilder des Sonnenwunders in Fatima begeistert. Man kann das Wunder selbst zwar nicht sehen, aber dafür blickt man in die Gesichter der Zehntausenden Menschen, die das Wunder gesehen haben. Und in den Gesichtern begegnet dir das Unglaubliche. Die Menschen schauen so, als würden sie etwas Unglaubliches sehen. Etwas, das nicht von dieser Welt sein könnte.

Wie war es dann, vor Ort zu sein?
Ich fand es sehr einladend, aber wir waren leider zu kurz da. Ich will auf jeden Fall nochmal hin, um in Ruhe dort sein zu können.
Als Maria den Hirtenkindern begegnet ist, hat sie ihnen ans Herz gelegt, den Rosenkranz zu beten. Kannst du etwas mit dem Rosenkranz anfangen?
Ja, der Rosenkranz hilft mir, mein Leben mit dem Leben von Jesus und Maria verbinden.

Diözesanjugendpfarrer Tobias Hasselmeyer in Fatima.

Hast du dafür ein Beispiel?
Als wir zum Start der Reise zum Weltjugendtag in Le Mans waren, hat ein Franzose, der uns begleitet hat, gefragt, ob ich für eine Bekannte von ihm beten kann. Sie ist dreifache Mutter und hat gerade eine schreckliche Diagnose bekommen. Wahrscheinlich hält der Körper das nicht mehr lange aus. Da bete ich dann den schmerzhaften Rosenkranz. Da ist ein Geheimnis: „Jesus, der Blut geschwitzt hat.“, also der Moment in der Nacht vor der Kreuzigung, wo Jesus darum gebetet hat, wie der Weg weitergehen kann. Auch Jesus hat Schlimmes erlebt, hat sich gefragt: Warum? Ist das dein Wille, Vater? Wie schaffe ich das? In diesem Bild aus dem Leben Jesu ist mein Gebet für die Frau dann gut aufgehoben.

Wie verändert dich das Gebet?
Die vordergründige Ebene ist ja, dass ich Gott darum bitte, dass seine Kraft in dieser Situation wirkt. Also, dass sich die Gesundheit der Mutter stabilisiert. Das ist zumindest der erste Reflex. Und dann denke ich nochmal drüber nach: Weiß ich denn, dass das das Richtige ist? Für wen wäre das gut? Für die Frau? Für die Familie? Soll ich jetzt Gott sagen, was er tun soll? Irgendwie muss ich Gott vertrauen und sagen: „Du bist allwissend, nicht ich. Du wirst schon wissen, was das Beste ist.“

Also verändert das Gebet auch dich und nicht nur die Situation, vor der du stehst?
Auf jeden Fall. Das ist so ähnlich, wie wenn man genervt ist und dann mit einem Freund darüber reden kann. Dann sagt man: „Ah, kannst Du jetzt auch nichts dran machen, aber es war gut, dass wir mal drüber gesprochen haben.“ Man wird gelassener. Und doch macht es einen Unterschied, ob ich mit einem guten Freund oder mit Gott rede. Wir Menschen können nur alles Menschenmögliche tun. Wenn ich meine Probleme Gott anvertraue, gebe ich sie an jemanden Grenzenloses weiter.

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