Junge Schauspieler bringen Gefahren einer gefühlskalten Welt im Musical auf die Bühne
22.05.2014

Junge Schauspieler bringen Gefahren einer gefühlskalten Welt im Musical auf die Bühne

Projekt der Ökumenischen Theatergruppe Oerlinghausen

Im Jahr 2256 wirken alle irgendwie klinisch tot. So scheint es. Die Welt und das Leben der Menschen ist zwar dank einiger Technokraten perfekt. Es fehlt ihnen an nichts, auch Ängste und Sorgen sind ihnen fremd. Doch der Preis, den die Bürger dafür zahlen müssen ist hoch, denn der elitäre Rat erwartet eine strikte Einhaltung der vorgegebenen Regeln. Es gibt Elitesoldaten und Aufziehpersonen.

„Fortschritt, Wissenschaft, Vernunft und Ordnung sind die Pfeiler der Gesellschaft“, rufen die Mitglieder des elitären Rates mit starrer Miene. Zum ersten Mal läuft es dem Besucher bei den Proben des neuen Musicals „Die Elite – eine perfekte Zukunft ohne Liebe und Glaube“ der Ökumenischen Theatergruppe Oerlinghausen kalt den Rücken hinunter. Überhaupt: Während der gesamten Probe herrscht eine kalte Atmosphäre, wird die utopische Gesellschaft mit raffinierter Technik von Minute zu Minute unsympathischer. Bürger leben ohne Emotionen. Sie tragen tristes Grau. Ständig sollen sie ihre staatsbürgerliche Grundhaltung verbessern. Hinter der Bühne sorgt eine Vielzahl junger Musiker zusammen mit Musiklehrer Alfons Haselhorst für die passende musikalische Untermalung.

Eine der 69 meist jungen Darsteller und Darstellerinnen ist Marleen Werner. Im Musical spielt sie die weibliche Hauptrolle und heißt Mia, von den Technokraten Lk 149 genannt. Zusammen mit Paul gehört sie zum sogenannten indigenen Sektor. „Wir verkörpern im Stück unser Leben von heute. Für uns zählen noch Werte wie Emotion, Liebe und Glaube, wir versuchen sie zu bewahren“, sagt die 22-Jährige. Zusammen mit der anderen Hauptfigur Paul setzt sie auf die Seligpreisungen als zentrale Botschaft und möchte Brücken schlagen. „Mit Christus Brücken schlagen“, lautet auch das Motto des Katholikentages in Regensburg. Bei der Großveranstaltung will die bunt zusammengewürfelte Truppe, die katholischen Teilnehmer kommen aus den Pastoralverbünden Lippe-West und Bad Salzuflen-Schötmar, gleich zwei Mal das junge Publikum unterhalten und aufrütteln.

Denn vielleicht ist ja schon die heutige Gesellschaft mit ihren sozialen Netzwerken auf dem Weg in eine gefühllose perfekte Gesellschaft ohne Glaube und Religion. „Unsere hochtechnisierte Welt verändert unser Leben. Wo soll das noch enden? Sind wir vielleicht schon auf dem Weg zur perfekten Gesellschaft?“, fragt sich Mike Röttgen, neben Haselhorst einer der Verantwortlichen. „Die Seligpreisungen in der Bibel sind alltagstauglich. Das möchten wir, gerne auch mal mit einem erhobenen Zeigefinger, kolportieren“, sagt der 51-Jährige, der im Vertrieb eines Logistikunternehmen arbeitet und früher Amateurtheater gespielt und lange Musik gemacht hat. Die Kunstform Musical biete für alle Beteiligten die Chance, das, was sie selber lebten, im Rampenlicht einem breiten Publikum vorstellen zu können, sagt Röttgen. „Wir machen hier kein Krippenspiel, sondern haben einen semiprofessionellen Anspruch“, ergänzt der gebürtige Rheinländer. Das wüssten auch die zumeist jungen Darsteller.

„Das Ganze ist eine große Herausforderung. Ich wollte immer mal etwas Großes machen und an meine Grenzen gehen“, sagt Jurastudentin Marleen. „Durch das Spielen wird man auch selbstbewusster“, stellt Jonas Parschau fest. Der 22-jährige aus Oerlinghausen will demnächst ein Polizeistudium in Stukenbrock beginnen. Zum ersten Mal dabei ist Fredericke Brakweh. „Wenn man erstmal mit dem Theaterspielen angefangen hat, möchte man gar nicht mehr damit aufhören“, sagt die Leiterin der Malteser-Jugendgruppe in Bad Salzuflen. Auch sie spielt wie Marleen die weibliche Hauptrolle Mia. Aus Sicherheitsgründen haben die Macher alle Hauptrollen doppelt besetzt. Auch „Aufziehperson“ Cerrin Wehrmann-Ristau ist begeistert bei ihrer Bühnenpremiere. „Man spielt und singt zusammen. Ich finde das Miteinander toll. Viele von uns kannten sich vorher ja gar nicht“, sagt die 42-Jährige aus Oerlinghausen.

Nach zwei gelungenen Musical-Projekten spricht Mike Röttgen bereits jetzt von einer Erfolgsgeschichte. „Die jungen Leute wachsen über sich hinaus und haben mit Gleichgesinnten zusammen Spaß“, freut sich Röttgen. Da sei es auch egal, ob jemand katholisch oder evangelisch sei. „Wir sind alle Christen. Das ist unsere gemeinsame Basis“, betont er.

Das Musical findet auch beim Erzbistum Paderborn großen Anklang und wird entsprechend finanziell unterstützt aus dem Fond für innovative Projekte. Schließlich soll mit dem Projekt auch der Weg der beiden Pastoralverbünde zum Pastoralen Raum begleitet werden.

Am Ende bleibt noch eine Frage offen: Warum heißt Mia Lk 149? Für alle, die nicht bei den Vorpremieren am heutigen Freitag und am morgigen Samstag sowie den Aufführungen während der Katholikentage dabei sein können: So werden Verse im Lukas-Evangelium bezeichnet. Ein Musical mit Tiefgang eben.

Hier geht es zur Musical-Homepage.

Fredericke Brakweh (Mia) und Lars Rottschäfer (Paul) kämpfen für ein Gesellschaft mit Gefühlen, Glaube und Religion.
Der elitäre Rat tagt: v. l. Beatrix Mrongowius, Lara Petry, Mike Röttgen und Lukas Baumgarth.

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