05.08.2023
Weltjugendtag

Leichtigkeit im Glauben, ohne die Lebensrealität auszublenden

Deutsche Delegation zieht erste Bilanz zum 37. Weltjugendtag in Lissabon

„Was wir uns zu Beginn vom Weltjugendtag erhofft haben, konnten wir in Lissabon wirklich erleben: ein positives Miteinander, aber auch ernsthafte Gespräche“, so lautete ein erstes Fazit von Weihbischof Johannes Wübbe (Osnabrück), Vorsitzender der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz, in der Pressekonferenz vom 5. August der deutschen Delegation zum Abschluss des 37. Weltjugendtags 2023. „Natürlich sind die Straßen und Plätze der Stadt geprägt von fröhlichen und singenden Jugendlichen“, so Weihbischof Wübbe.

„Der Weltjugendtag ist aber viel mehr als ein Event oder ein Festival: Jugendliche besprechen ihre Glaubens- und Zukunftsfragen mit uns Bischöfen im Pilgerzentrum und mit den Seelsorgerinnen und Seelsorgern vor Ort und untereinander. So lernen sie voneinander, dass man wertschätzend reden und Unterschiede aushalten muss. Das gilt in einer immer stärker polarisierten Gesellschaft ebenso wie in der Kirche. Die weltumfassende katholische Kirche ist Einheit in der Vielfalt. Und wie es der Papst selbst sagt: Die Kirche ist für alle da.“

Einheit, Frieden, Geschwisterlichkeit

„Auch für Franziskus ist Weltjugendtag nicht allein das Gebet. Zukunftsvisionen für die Kirche und für Europa waren für ihn wichtige Kernthemen“, ergänzte Weihbischof Wübbe. Der Papst habe gefordert, dass sich Europa seinen vielfältigen Problemen stellen müsse. Weltweite Ungerechtigkeiten, die Kriege, die Klima- und Migrationskrisen würden schneller voranschreiten als die Fähigkeit und oft auch der Wille, diesen Herausforderungen gemeinsam entgegenzutreten. „Jugendliche aus der ganzen Welt, die sich Einheit, Frieden und Geschwisterlichkeit wünschen, fordern uns bei diesem Weltjugendtag heraus, ihre Träume vom Guten zu verwirklichen“, betonte Weihbischof Wübbe.

Er unterstrich gleichzeitig, wie wichtig es gewesen sei, dass Papst Franziskus sich in Lissabon mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs getroffen habe: „Bei allem Schönen sind die Probleme auf dem Weltjugendtag nicht ausgeklammert worden. Gerade das Thema sexualisierter Gewalt war hier präsent. Mir ist wichtig: Es geht nicht um die Institution, die durch Täter in Misskredit geraten ist, sondern zuallererst um die Betroffenen. Das muss weiter der Ansporn unseres Handelns sein.“

Gelebte Nächstenliebe

Die Pilgerinnen Judith Westkamp aus Paderborn und Emilie Pardula aus Dresden berichteten von vielen prägenden Eindrücken, die sie nach Hause mitnehmen. „Die Stimmung, die ich während des Weltjugendtags erleben durfte, lässt sich kaum angemessen mit Worten beschreiben. Ich empfehle besonders jungen Menschen, die an Gott und die Kirche glauben möchten, ihren Platz aber noch nicht gefunden haben oder sich alleine mit dem Glauben fühlen, zum Weltjugendtag zu fahren. Es gibt unglaublich viele religiöse und schöne Veranstaltungen, um neue Erfahrungen zu machen und die Glaubensgemeinschaft zu erleben. Das Herz des Weltjugendtags ist für mich die Offenheit, die Menschen so vieler Länder einander schenken – ein Teil gelebter Nächstenliebe“, sagte Judith Westkamp.

Die Tage der Begegnung seien für sie ein ganz wichtiger Teil des Weltjugendtags gewesen: „Dort hatte ich die Möglichkeit, das Gastland und die Menschen wirklich kennen zu lernen. Die Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde, und die mit Liebe vorbereiteten Speisen und Programmpunkte haben mein Herz erwärmt. Dieses Gefühl möchte ich bewahren und diese bedingungslose Herzlichkeit mit nach Deutschland nehmen.“

Eine gemeinsame Anlaufstelle

Erstmals gab es mit dem deutschen Pilgerzentrum im Goethe-Institut bei einem Weltjugendtag einen zentralen Anlaufpunkt für deutsche Pilger. Die 16-jährige Emilie Pardula berichtete: „Mich berührte es zu sehen, wie wir deutschen Pilger nicht nur mit Jugendlichen aus anderen Ländern, sondern auch untereinander ein Band binden konnten. Im Pilgerzentrum haben wir zusammen gesungen, gegessen, uns abgekühlt und vor allem einander kennengelernt.“ Von Montag bis Freitag haben rund 6.500 junge Menschen dieses Angebot angenommen. Es wurde vom Zentrum für Berufungspastoral und der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz verantwortet.

Beindruckt war Emilie Pardula auch davon, dass in Gottesdiensten und Gesprächsrunden Krisenthemen angesprochen wurden. „Ich blicke nach diesem Weltjugendtag und allen Erfahrungen, die ich hier mitnehmen durfte, positiv in die Zukunft unserer Kirche und freue ich mich auf weitere Begegnungen.“

Vielfältigkeit im Glauben

Für BDKJ-Bundespräses Dr. Stefan Ottersbach hat der Weltjugendtag erneut gezeigt, dass der christliche Glaube begeistern kann: „Die christliche Vision einer gerechteren und solidarischen Welt ist für viele junge Menschen trotz allem faszinierend. Ich bin in Lissabon vielen jungen Menschen begegnet, für die Glaube, Gemeinschaft und politisches Engagement untrennbar zusammengehören.“ Das International Youth Hearing des BDKJ habe deutlich gemacht, dass Klimagerechtigkeit nur durch eine offene Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus erreicht werden könne.

Auf der Pressekonferenz ergänzte er, dass es nicht die eine Form gebe, wie Glauben heute konkret gehe, sondern viele Spiritualitätsformen: „Zur Realität gehört, dass in Katechesen, auf den Straßen und bei anderen Gesprächsformaten sehr kontrovers darüber gesprochen wurde, wie die Zukunft der Kirche aussehen soll. Viele junge Menschen thematisierten dabei die Frage, ob und wie lange sie selbst noch in dieser Kirche bleiben können“, so Ottersbach weiter. „Spürbar wurde eine tiefe Enttäuschung über sexualisierte Gewalt in der Kirche und deren Vertuschung. Viele sind frustriert, weil sie notwendige systemische Reformen vermissen, besonders im Blick auf Machtstrukturen, die Anerkennung queerer Menschen und die Gleichberechtigung von Frauen und nonbinären Personen. Ich hoffe, dass Papst Franziskus diese Stimmen gehört hat und die Perspektiven junger Menschen bei der kommenden Weltsynode berücksichtigt werden.“

Der Weltjugendtag, der am 1. August 2023 eröffnet wurde, endet am 6. August 2023 mit dem Aussendungsgottesdienst, den Papst Franziskus mit den Jugendlichen auf dem ehemaligen Expo-Gelände feiert. Insgesamt waren nach Angaben der katholischen Kirche in Portugal bislang rund 600.000 registrierte Pilger beim Weltjugendtag, den Kreuzweg am Freitagabend haben rund 800.000 besucht.

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