Roter Vorhang
14.07.2022
Andacht

Was ein Theater

Warum spielen wir im Alltag unterschiedliche Rollen?

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von Johannes Eickelmann

Schon von Klein auf faszinierte es mich, wenn mich etwas aus dem Alltag herausgeholt hat. Wenn ich ein eine andere Welt eintauchen durfte. Das fing schon im Kindergarten an - mit Märchen und Tiergeschichten.

Voller Vorfreunde saßen wir zusammen und warteten darauf, dass sich der Vorhang öffnete. Was bis dahin noch mega wichtig schien, rückte in den Hintergrund oder verschwand für die Zeit des Stücks ganz aus den Gedanken.

Als Jugendlicher war ich dann selbst in einer Theatergruppe der Schule. Die Stücke bekamen eine andere Tiefe und einen aktuellen Bezug. Gleichzeitig war ich jetzt derjenige, der das Publikum aus dem grauen Alltag in eine magische Welt mitnehmen durfte.

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Den Charakter verstehen

Umso mehr ich mich in einer Rolle wohlgefühlt habe, desto motivierender und überzeugender konnte ich performen. Sich in die passende Stimmung hineinfühlen, die Beweggründe des Charakters verstehen und seine Ziele im Blick zu verdeutlichen. Quasi den Menschen in Gänze lesen.

Später in der Uni legte ich meinen Studienschwerpunkt auf Theaterpädagogik. Die verschiedenen Methoden und Techniken halfen mir dabei, noch andere Blickwinkel und Eindrücke zu bekommen.

Bei vielen Gesprächen und Vorträgen ist mir einer besonders in Erinnerung geblieben. Eine Professorin sagte zu uns: „Auf der Bühne könnt ihr so gut spielen, wie ihr wollt. Das echte Leben schlagt ihr in seiner Authentizität nie“. Dadurch bekamen wir einen anderen Blick auf das „Spielen“ und das „Leben“.
Da habe ich mich gefragt: Spielen wir nicht alle Theater? Auch im Alltag?!

Spielen wir alle Theater?

Du kennst das vielleicht: Wenn du in bestimmten Situationen oder bei bestimmten Gruppen bist, verhältst du dich anders. Das ist fast so, als würden wir Menschen Masken tragen. Als würden wir im passenden Moment die Maske, das Ich, präsentieren, von dem wir denken, dass es die Welt gerade erwartet.

Über die Jahre passen wir unsere Masken an und ergänzen unser Repertoire. Wo wir als Kinder noch unbeschwert und gradlinig sind, verhalten wir uns als Jugendliche und Erwachsene abschätzender und distanzierter. Das liegt an den Erfahrungen, die wir in unserem Leben gemacht haben. Durch sie haben wir unsere Naivität abgelegt.

Frau mit Maske

Masken

Wäre es nicht schön, wieder frei sagen und denken zu können, was mir durch den Kopf geht? Mir die Zeit zu nehmen und den Versuch zu wagen, hinter die Maske meines Gegenüber zu blicken? Und gleichzeitig meine Maskerade fallen zu lassen und preiszugeben, was mich als Menschen ausmacht?

Das ist für viele sicher leichter gesagt als getan. Warum fällt es uns dann in manchen Situationen so schwer unser „Ich“ zu zeigen? Vielleicht denkt der eine oder die andere, dass man nur liebenswert ist, wenn man für alle Leute immer sofort da ist oder zu allem immer „ja“ sagt.

Oder, dass man nur etwas wert ist, wenn man so wie alle anderen in der Gruppe auch ist.
Aber: Wie wichtig du als Mensch bist, hängt nicht davon ab, was andere über dich denken. Oder wie voll dein Terminkalender ist. Klar, wenn du authentisch sein möchtest, dann brauchst du Vertrauen in dich. Selbstvertrauen, dass das, was du machst und wie du es machst, richtig und gut für dich ist. Dadurch entsteht eine ausgeglichene und harmonische Verbindung mit den passenden Menschen. Weil diese Personen dich so mögen, wie du bist.

Am Anfang kann für dich die Frage stehen: Was will ich wirklich, was bin ich für eine Person? Mach dir bewusst, was dir gefällt und was dir gut tut. Wie du dich in den unterschiedlichen Situationen deines Lebens glücklich, zufrieden und sicher fühlen kannst. Das ist der erste Schritt zum authentisch sein: Die Erkenntnis welcher Mensch man ist und sein will.

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