21.11.2023
Perspektive

Die Welt mit neuen Augen sehen

Derik Ramos Peixoto aus Brasilien lernt in Paderborn als Freiwilligendienstler für sein Leben dazu

von Daniel Ribeiro

Derik Ramos Peixoto ist ein großgewachsener, junger Mann. Er trägt einen schwarzen Trainingsanzug. Zwei weitere Besonderheiten fallen spontan ins Auge: sein stets breites Lächeln und der silberne Halsschmuck – ein Anhänger mit einer kleinen Mariendarstellung. 

Wer Derik näher kennenlernt, erfährt von seiner Herkunft. Er stammt aus Brasilien und ist im Erzbistum Paderborn zu Gast, um hier seinen internationalen Freiwilligendienst zu verrichten. Für ein Jahr hat sich der südamerikanische Student verpflichtet, in einem fernen Land soziale Arbeit zu tun. Ermöglicht, begleitet und betreut wird dies vom Verein mundus eine Welt e.V., der seit einigen Jahren neben der etablierten Möglichkeit junge Deutsche ins Ausland zu vermitteln auch Freiwillige aus anderen Ländern in Paderborn empfängt. Vorwiegend stammen die jungen Menschen aus Lateinamerika und dem südlichen Afrika. Im Erzbistum arbeiten sie in Einsatzstellen, die vielfältige soziale Tätigkeiten bieten.

"Fühle mich wie ein Kind, das die Welt entdeckt"

Derik ist also ein sogenannter Süd-Nord-Freiwilliger und seit einigen Wochen in Deutschland. Der Wunsch in ein anderes Land zu gehen, beschäftigt ihn schon deutlich länger. Er will andere Kulturen kennenlernen. „Mein Gedanke war es, Brasilien erstmal hinter mir zu lassen,“ erklärt Derik und fügt mit freudigem Blick hinzu: „Ich hatte diese Neugier.“ Seine Einsatzstelle ist das Familienzentrum St. Liborius. Er wird dort mit Kindern arbeiten, was Neuland für ihn ist. Zwar hatte er in seiner brasilianischen Gemeinde neben der ehrenamtlichen Arbeit für ältere Menschen auch mit Jugendlichen zu tun, „aber die Herausforderungen und Mentalitäten sind schon verschieden.“

Deriks Aufenthalt in Deutschland geht ein Zufall voraus: An seiner katholischen Hochschule ist das Programm bekannt, Lehrpersonal legt es ihm ans Herz. Der erste Eindruck gefällt ihm gut, er will unbedingt teilnehmen. Seine Angehörigen muss Derik nicht überzeugen. „Ich glaube, meine Familie erwartete schon, dass ich irgendwann so etwas machen würde, weil ich viel über Reisen und Austausch gesprochen habe.“ Seine Familie ist aufgeschlossen und interessiert, bringt ihm trotz der typischen Sorgen vor einem solch großen Schritt vor allem viel Freude und Ermunterung entgegen. Das ist wichtig für Derik, der ein Familienmensch ist. Der Abschied und die Gedanken an die große Aufgabe fallen ihm dadurch etwas leichter.

In Deutschland angekommen ist Derik verblüfft und voller Spannung, wie er es selbst mit strahlenden Augen erzählt. „Ich fühle mich wie ein Kind, das gerade die Welt entdeckt.“ Alles erscheint ihm neu und anders. „Es ist eine Erfahrung voller Neugier, so viel zu sehen wie möglich.“ Der lebensfrohe Brasilianer betrachtet jeden Aspekt des Lebens in Deutschland gespannt unter der geistigen Lupe. Selbst wenn beispielsweise der Wechsel der Jahreszeiten in Mitteleuropa wenig verblüffend ist, kommt es für Derik einer neuen Erfahrung gleich. „Hier kann man diesen Wechsel wahrnehmen. In Brasilien ist es für die Leute so, als gebe es nur eine Jahreszeit – immer heiß, ständig Sonne, je nach Region kaum bis gar kein Regen.“

Derik Ramos Peixoto

Wenn ihr eine weitere Perspektive auf den internationalen Freiwilligendienst lesen möchtet, folgt dem Link zum Gespräch mit Luis Striewe aus dem Erzbistum, der über mundus eine Welt e.V. ein Jahr in Brasilien verbrachte.

Brasilien - die Heimat von Derik

Was seinen Dienst angeht, steht Derik am Anfang. Er kennt noch nicht alle Aufgaben für das Jahr seines Freiwilligendienstes im Erzbistum, arbeitet allerdings in Paderborn mit einer Gruppe, die mehr als zwanzig Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren umfasst. Dabei fällt ihm aktuell die allgemeine Begleitung zu. Was ihm direkt aufgefallen ist: „Die Selbstständigkeit ist überraschend groß. Sie beschäftigen sich viel allein, weshalb eher Unterstützung als Anleitung nötig ist.“

"Das Persönliche vermisse ich"

Derik arbeitet in seinem Freiwilligendienst mit Kindern

Abseits der Arbeit kommt Derik nicht oft zur Ruhe, da er viele Pflichtveranstaltungen besuchen muss – verbindliche Seminare und nicht zuletzt den wichtigen Sprachkurs. Wenn er doch einmal seine Freizeit bewusst nutzen kann, lernt er Paderborn kennen, trifft sich mit den anderen Freiwilligen. „Wir tauschen uns viel aus, besuchen einander, gehen in Cafés.“ Der Jahrgang junger Menschen stammt aus unterschiedlichen Teilen der Welt, kommt mit verschiedenen Muttersprachen in Deutschland an – und teilt doch die gemeinsame Erfahrung in Deutschland zu Gast zu sein und hier Dienst zu tun. Daraus erwächst eine starke Bindung.

Dennoch ist es nicht so, als wäre der junge Mann aus Brasilien völlig frei von Heimweh. Er vermisst seine Familie trotz der Möglichkeiten mit ihnen digital zu kommunizieren. „Mir fehlen die Menschen. Heute hat man Internet, um miteinander zu reden. Das ist aber nicht das Gleiche. Das Persönliche vermisse ich.“ Seine Gedanken sind häufig bei seiner Familie. Trotz aller Wehmut, die in Momenten aufkommt, überwiegt bei Derik jedoch der Enthusiasmus. Er pflegt den Kontakt in seine Heimat, teilt seine Erfahrungen oft und gerne.

Bei der besonderen Herausforderung, die der internationale Freiwilligendienst für ein Jahr darstellt, hilft Derik sein Glaube. „Der Glaube begleitet mich schon lange Zeit. In Brasilien ist es üblich, den Glauben zu kultivieren.“ Der Student bringt seine Überzeugung mit, will aber auch viel lernen über Religion in Deutschland. Eins der stärksten Gefühle zu Beginn seiner Zeit im Erzbistum erwächst daraus, dass Derik in der ersten Woche seines Dienstes aus zeitlichen Gründen nicht zur Messe gehen kann, obwohl er das sonst immer tut. „Es war eine komische Erfahrung für mich,“ betont der junge Brasilianer. Seitdem hat er sich schon einige Kirchen angeschaut, bemüht sich, keinen Gottesdienst mehr auszulassen. Es sind nicht nur Besuche der Kirche, die den Unterschied ausmachen. Vielmehr geht es für Derik um die Integration des Glaubens in alle Aspekte des Lebens. „Die Menschen in Brasilien leben auf viele Arten ihre Verbindung zur Kirche, was hier weniger stark zu sein scheint.“

"Es verändert sich der Blick"

Auch wenn der Student aus Südamerika noch eine lange Wegstrecke in Deutschland vor sich hat, so findet er bereits starke Worte für seine positiven Erlebnisse im Rahmen des über mundus eine Welt e.V. organisierten Freiwilligendienstes. Worte, die Papst Franziskus‘ Formulierung einer „universellen Brüderlichkeit“ greifbar werden lassen: „Ich machte die Erfahrung, dass die ganze Welt vereint ist. Alle Freiwilligen, die hierhergekommen sind, waren unterschiedlich, kamen aus ganz verschiedenen Ländern. Aber da war Brüderlichkeit unter uns und zu allen Menschen.“ 

Sich zu überwinden und das Fremde kennenzulernen sei für die internationalen Freiwilligen der Schlüssel. „Es verändert ganz sicher unseren Blick für den Nächsten, für andere Kulturen, Religionen, Ethnien. Solange wir daheim in unserer kleinen Welt waren, unsere sozialen Kreise hatten, konnte diese Dimension nicht aufkommen.“ In den abschließenden Worten Deriks klingt jene emphatische Forderung des Heiligen Vaters nach einer Annäherung des gesamten Menschengeschlechts an: „Sobald man weggeht, Kontakt aufnimmt zu Außenstehenden, die andere Denkweisen haben, bekommt man ein Verständnis, wie reich und vielfältig die Welt ist. Und deshalb brauchen wir Brüderlichkeit.“

Interesse bekommen, selbst Dienst im Ausland zu tun? Dann bewirb dich jetzt!
mundus eine Welt e.V. entsendet seit Jahrzehnten junge Menschen in Länder des globalen Südens, um dort als Freiwillige in sozialen Berufen zu arbeiten. Für das Jahr 2024 läuft aktuell die Anmeldephase, noch bis Ende November können sich Interessierte bewerben. Alle Informationen zu Formalitäten und Ansprechpartnerinnen gibt es gesammelt hier.

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