„Glaube bedient in erster Linie nicht den persönlichen Vorteil“
25.03.2013

„Glaube bedient in erster Linie nicht den persönlichen Vorteil“

Die Bielefelder Studenten Trond Kuster, 24, Geschichte und Germanistik im Bachelor, und Daniel Rodenburger (24), im Master für Wirtschaftsmathematik und Statistik, engagieren sich neben der Uni in der katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Bielefeld. Hier sind sie im Leitungsteam aktiv und planen und organisieren das Semesterprogramm. Im Doppelinterview erzählen die beiden, wie sie zum Glaube stehen und danach leben.

Trond und Daniel, für viele junge Menschen ist es schwierig, heute einen Bezug zum Glauben zu finden. Wie versteht ihr Glaube?

Trond: Glaube bedeutet Glaube an Gott, an den Schöpfer der Welt. Er bedeutet, das Leben als Geschenk zu sehen und den Menschen nur als Gast auf Erden zu verstehen und aus diesem Bewusstsein heraus auch zu handeln. Glaube heißt für mich aber auch Heimat und Verbundenheit mit anderen Christen rund um den Globus. Gemeinsame Werte und Lebensauffassungen.

Daniel: Ich sehe das ähnlich wie Trond. Glaube bedient in erster Linie nicht den persönlichen Vorteil. Ich würde zum Beispiel eher nicht für eine Klausur beten. Wir sind nicht durch uns für uns erlöst und Jesus ist nicht mein privater Retter, um es einmal plakativ mit den Worten einer Predigt zu sagen, die ich vor kurzem hören durfte. Es geht um Menschen. Als gläubiger Christ ist für mich aber auch wichtig, sich kritisch mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Es geht nicht darum, einfach zu glauben, im Sinne von etwas einfach hinzunehmen. Glaube hat also für mich viel damit zu tun, etwas zu hinterfragen. Gerade in der Auseinandersetzung mit anderen Konfessionen lässt sich das eigene Glaubensbild stetig weiterentwickeln.

Welche Rolle spielt insbesondere Gott für euch?

Trond: Gott ist das zentrale Element des Glaubens. Es geht eben gerade nicht um eine fiktive Naturgottheit oder einfach nur ein „höheres Wesen“, sondern um den Schöpfer der Welt, der aus Barmherzigkeit dem Menschen gegenüber handelt und ihn, wenn auch der Mensch es will, durchs Leben führt und ihn auf seinem Weg durchs Leben unterstützt und ab und zu trägt. Das spüre ich auch immer wieder, in guten, sorglosen, aber auch in schwierigen Krisenzeiten. Sich immer wieder bewusst an Gott zu wenden und auch zu versuchen, seine Antworten zu verstehen, das stärkt meinen Glauben.

Daniel: Auch für mich spielt Gott die zentrale Rolle. Er ist der Adressat meiner Gebete und Rückhalt in meinem Leben. Lincoln vermochte es, ein wesentliches Element für mich äußerst passend auszudrücken: „Ich bin zufrieden, dass der Allmächtige, wenn er mich eine bestimmte Sache machen oder nicht machen lassen will, einen Weg findet, mich dies wissen zu lassen.“

Wie seid ihr zum Glauben gekommen?

Daniel: Mein Elternhaus würde ich nicht als besonders christlich bezeichnen. Meine Mutter ist jedoch mit dem katholischen Glauben aufgewachsen und hat dies auch an meine Geschwister und mich weitergegeben. Für mich war es in erster Linie der Kommunions- und Firmunterricht, der mich zum Glauben geführt hat. Ich muss jedoch gestehen, dass diese Zeit wahrhaftigen Glaubens und Vertrauens auf Gott von einer ziemlichen spirituellen Dürreperiode gefolgt war. Erst mein Erstbesuch bei der KHG Bielefeld im dritten Semester meines Studiums hat die Tür zum Glauben für mich erneut geöffnet.

Trond: Ich bin in einem sehr christlichen Elternhaus aufgewachsen. Meine Mutter leitete den Kinderwortgottesdienst, war Tischmutter, mein Vater im Pfarrgemeinderat. Ich bin Messdiener geworden und dann Messdienerleiter, Jugendwart, mit ins Zeltlager der Gemeinde gefahren, habe Kommunionkinderfreizeiten begleitet, Firmbewerber betreut. Ich war Zivildienstleistender im katholischen Altenheim der Mindener Domgemeinde. Ich habe auch immer den Kontakt zur Kirche gesucht und meistens sehr gute Erfahrungen gemacht, ganz egal ob es während meines Auslandsjahrs in England war, in den katholischen Hochschulgemeinden in Hamburg und Bielefeld oder in der Heimatgemeinde.

Ihr studiert beide. Ist es bei Klausuren und Lernstress schwierig, seinen Glauben aktiv im Alltag zu leben?

Daniel: Natürlich ist durch die Arbeit in der Hochschulgemeinde Glaube und Religion in meinem Alltag stets präsent. Darüber hinaus versuche ich wöchentlich an einem ökumenischen Hauskreis teilzunehmen. Das erleichtert es ungemein den Glauben in den Alltag einzubinden. Auf diese Weise ist es mir möglich, Alltägliches vor Gott zu bringen und auch die christliche Gemeinschaft vor Gott im Studienalltag zu erfahren. In den Klausurenphasen lasse ich auch mal ein Treffen aus, aber generell sind sie mir sehr wichtig, wie auch das wöchentliche Zusammenkommen in der KHG Bielefeld.

Trond: Durch die katholische Hochschulgemeinde sind der Glaubensalltag und das Studium eng miteinander verwoben. Außerdem bin ich seit zwei Jahren Stipendiat des Cusanuswerkes und kann auch so Studium und Freizeit noch einmal ganz anders verbinden. Auf den Ferienakademien oder Tagungen ist immer alles in den gemeinsamen Glauben eingebettet und von ihm umrahmt. So ist auch insgesamt der Glaube und das Leben aus und für ihn bei mir vollkommen in den Alltag eingebunden und gehört so sehr dazu, dass er gar nicht wegzudenken ist. Und für die Dinge, die einem persönlich wichtig sind und einem gut tun, nimmt man sich ohnehin immer Zeit.

Ihr seid sehr engagiert für euren Glauben. Wie reagieren denn andere in eurem Umfeld darauf?

Trond: Viele meiner Freude sind auch in der Kirche engagiert und da ist der gemeinsame Glaube und auch der gemeinsame Messbesuch vollkommen selbstverständlich, was sehr schön ist und tief verbindet! Aber auch die Freunde und Kommilitonen, die nicht in der Kirche sind, wissen, dass ich mich engagiere und ich habe noch nie schlechte Erfahrungen gemacht oder Ausgrenzung erfahren, ganz im Gegenteil! Es gibt oft Nachfragen und Interesse.

Daniel: Wenn ich mit den anderen Studierenden in der Hochschulgemeinde zusammen bin, sprechen wir natürlich offen über Glauben und Religion und beschäftigen uns intensiv damit. In meiner Wohngemeinschaft ist das allerdings ganz anders. Weil die anderen keinen wirklichen Bezug zu Glaube und Religion haben, halte auch ich mich zurück, darüber zu sprechen – was eigentlich nicht so sein sollte -, doch eine ständige Konfrontation ohne den Willen zum Einlenken und zur Gesprächsbereitschaft stellen für mich eine große Belastung dar. Daher begibt man sich dann eher in den Kreis anderer Christen.

Würdet ihr sagen, viele junge Menschen haben heute ihren Glauben verloren oder finden gar keinen Zugang dazu?

Trond: Wie gesagt, in meinem Umfeld ist das nicht unbedingt so. Aber es gibt große Teile der Gesellschaft, in denen der Glaube überhaupt keine Rolle mehr spielt. Da haben auch die Eltern keine eigenen Erfahrungen mehr und können dann auch den Glauben nicht an die Kinder vermitteln, was sehr traurig ist! Es hilft sehr, wenn man in den Glauben hineinwachsen kann, geführt wird und den Glauben vorgelebt bekommt! Viele sind auf der Suche nach Sinn und Zweck des Lebens. Viele haben auch persönliche Krisen und können mit denen nicht fertig werden. Auch da würde der Glaube helfen! Und vor allem heißt Glaube Gemeinschaft, die nicht auf Standesunterschiede oder Nationalität achtet. Gemeinsame Glaubenserlebnisse sind sehr intim und verbinden wildfremde Menschen sehr stark, das ist faszinierend und sehr schön!

Daniel: Bei vielen ist häufig keine Tür da, durch die sie einen Zugang zum Glauben finden können. Seit ich in Bielefeld bin, ist mir bewusst, dass insbesondere junge Menschen die Spiritualität anderer Glaubensgemeinschaften der katholischen Kirche vorziehen. Zum Beispiel fühlen sich viele von den Freikirchen angesprochen. Ich denke aber, dass es sehr wohl ein grundsätzliches Interesse an Religion und Glaube in unserer Gesellschaft gibt, eine Art konventionellen Glauben. Viele halten die katholische Kirche für selbstgefällig und werden von ihr als Institution abgeschreckt. Ich denke deshalb, wir müssen uns wandeln, den eher getragenen Stil ablegen und lebendiger werden.

In wenigen Tagen ist Ostern. Welchen Blick habt ihr auf den Tod?

Daniel: Mit Tod verbinde ich zuerst die Erinnerung an verstorbene Angehörige und da ist erst einmal eine große Trauer, dass diese Menschen nicht mehr in meinem Leben sind. Auf der anderen Seite bedeutet Sterben auch eine Erlösung und ein Leben in Ewigkeit. Ich denke, mit dem Tod kann es noch nicht alles gewesen sein. Da muss mehr sein. Das sollte einen freudig stimmen, wobei es mir im Moment noch schwer fällt, darüber wirklich Freude zu empfinden.

Trond: Der Tod bedeutet das Ende des Lebens auf Erden. Das Ende der physischen Existenz, aber er bedeutet auch Erlösung. Er bedeutet das Ende allen Leidens! Außerdem scheint er manchmal das Einzige zu sein, das den Menschen noch daran erinnert, selber nicht göttlich sein zu können. Im Tod sind alle gleich oder besser gesagt: sterben muss jeder! Aber ich habe keine Angst vor dem Tod, vielleicht vor dem Sterbeprozess selbst. Aber wer schon einmal einen gläubigen Menschen bewusst beim Sterben begleitet hat, der kann auch die Gelassenheit, die Zuversicht auf die Erlösung und so ein kleines bisschen der göttlichen Barmherzigkeit miterleben und erfahren. Das sind ganz unglaubliche und sehr wichtige Momente, die auch die Beziehung zum Sterbenden und dem Tod verändern.

Vielen Dank an euch beide für das Gespräch!

Glaubensserie: Gerade für junge Menschen ist es heute schwierig, einen Zugang zum Glauben zu finden und ihre Überzeugung im Alltag zu leben. Gläubig zu sein, ist heute einfach nicht „hip“ genug. Und trotzdem sind für viele Gott und christliche Werte in ihrem Leben sehr wichtig. Wir haben mit verschiedenen jungen Leuten gesprochen, was für sie „Glaube“ ist.

Trond Kuster ist 24 Jahre alt und studiert Geschichte und Germanistik.
Daniel Rodenburger ist 24 Jahre alt und studiert Wirtschaftsmathematik und Statistik.

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