07.06.2023
LIFESTYLE

#notalone: Brief an Papst Franziskus

Der Papst lädt zum Treffen der Geschwisterlichkeit ein. YOUPAX-Redakteur Tobias kann zwar nicht persönlich kommen, schreibt ihm aber seine Gedanken.

von Tobias Schulte

Lieber Papst, wenn Sie zu etwas aufrufen, dann muss das wichtig sein. Oder? Gerade laden sie zu einem internationalen Treffen am 10. Juni auf dem Petersplatz ein. Das Motto: #notalone. Es kommen: 30 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträger sowie Tausende junge Menschen. Das Ziel: ein Zeichen für Geschwisterlichkeit setzen. Ich kann leider nicht persönlich nach Rom kommen. Deswegen möchte ich meine Gedanken mit Ihnen in diesem Brief teilen.

Lieber Papst, Sie schreiben, „dass wir alle Geschwister sind“. Zugegeben: Das Wort Geschwisterlichkeit klingt für mich nach typischer Kirchensprache. Im Alltag sage ich jedenfalls nie: „Das war aber geschwisterlich, wie du dich verhalten hast.“ Gleichzeitig habe ich schon eine Ahnung, was mit geschwisterlich gemeint sein könnte.

„Wir sind alle Dortmunder Jungs“

Konflikte gibt es überall - ob im Fußball oder zwischen Geschwistern.

Geschwisterlichkeit klingt für mich nach Zusammenhalt. Fast so ähnlich wie das, was Tausende Fans in den Fußballstadien singen: „Wir sind alle Dortmunder Jungs“, „Wir sind Schalker, asoziale Schalker“ oder „Bochum, ich komm aus dir.“ Aber ganz dasselbe ist das nicht, oder?

Im Fußball herrscht Rivalität. Es gibt Gewinner und Verlierer. Man schenkt sich nichts. Singt „Scheiß FC Bayern“ oder „Was ist grün und stinkt nach Fisch? Werder Bremen!“. Geschwisterlichkeit? Fehlanzeige.

Doch auch zwischen Geschwistern gibt es Konflikte. Weil der eine das Gefühl hat, zu kurz zu kommen. Weil sie denkt, dass er viel mehr darf, viel mehr Aufmerksamkeit bekommt oder viel mehr belohnt wird. Wenn Geschwister miteinander streiten, hört sich das manchmal auch nach Rivalität an.

Geschwisterlichkeit ist mehr als Mitmenschlichkeit

Also, wo ist der Unterschied?

Ich wüsste gern Ihre Antwort auf diese Frage, aber weil Sie sicher beschäftigt sind, versuche ich es mal selbst.

Ich glaube: Wichtig ist, dass Rivalität unter Geschwistern überwunden werden kann. Ich stelle mir das im Idealfall so vor: Geschwister wissen, dass sie beide ihren Eltern mega wichtig sind. Dass die Liebe ihrer Eltern überhaupt erst der Grund ist, dass sie leben. Geschwister ahnen, dass sie das IMMER verbindet. Genauso wie die Zeit, als sie in der Kindheit miteinander gespielt, gegessen und geschlafen haben. Geschwisterlichkeit hat so gesehen nochmal eine andere Qualität als Mitmenschlichkeit.

Wenn das der Fall ist, dann gibt es für Geschwister eigentlich auch keinen Grund, miteinander zu konkurrieren oder sich zu vergleichen. Dann wäre jedes von den Geschwistern und sein Leben im positiven Sinn einfach anders, aber gleichwertig. Anders gut. Anders wertvoll. Anders wichtig.

Anders und gleichwertig sein

Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist das eine mega Sache: anders und gleichwertig sein. Dann gäbe es kein besser oder schlechter, keinen ersten oder zweiten Platz. Keine Rivalität. Und ganz viel Geschwisterlichkeit. In der Familie, im Fußball, im Studium, im Job, in der Kirche.

Die Frage ist nur: Wie komme ich dahin?

Auch da würde mich Ihr Rat interessieren, aber etwas habe ich vielleicht selbst schon gelernt: Mir fällt es leicht, andere Menschen wertzuschätzen, wenn ich mich selbst wertgeschätzt fühle. Wenn ich mich selbst gut und groß fühle, kann ich mich über Erfolge und Stärken der anderen freuen und ihre Schwächen annehmen. Das heißt natürlich nicht, dass alles, was jemand tut, auch gut ist. Aber der Mensch an sich erstmal schon.

Sich selbst wertzuschätzen ist der erste Weg, um andere Menschen wertzuschätzen.

Das führt natürlich schon zur nächsten Frage, nämlich: Wie kann ich meine eigene Größe erkennen?

Einfache Antworten gibt es da auch nicht. Ich glaube, dass das mit die größte Herausforderung in meinem Leben ist. Ich glaube aber auch, dass es einen Weg dahin gibt. Zum Beispiel, indem ich mir immer wieder klarmache, wie vielen Menschen ich etwas bedeute. Und, dass Gott längst groß über mich denkt. So, wie er zu Jesus gesagt hat: „Du bist mein geliebter Sohn“ (Mt 3,17). So, wie Jesus seine Jünger als Brüder und Schwestern an seiner Seite hatte, obwohl die auch ihre Schwächen hatten und miteinander konkurriert haben.

Lieber Papst, wenn das zu einem geschwisterlichen Leben dazugehört, dann möchte ich mich der Herausforderung stellen, Geschwisterlichkeit zu leben.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Schulte

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