Wie es ist, als Fotograf zu erblinden
13.09.2017

Wie es ist, als Fotograf zu erblinden

Der japanische Film „Radiance“ zeigt, wie ein Fotograf sein Augenlicht verliert.

Von Caroline von Eichhorn

Im japanischen Film „Radiance“ muss man mitansehen wie ein Fotograf sein Augenlicht verliert – eine traurige und gleichzeitig poetische Erfahrung.

Without light, no colours.
Without light, no images.
Without light, impossible to make a film.
One could almost say that light is cinema.
Naomi Kawase


Misako’s Job ist es im Kino dann zu reden, wenn alle schweigen. Die junge Frau arbeitet als Autorin für Hörfassungen, das heißt: Sie beschreibt Kinofilme für Blinde, also jene Szenen in denen gerade kein Dialog vorkommt, die allerdings für das Verständnis des Filmes notwendig sind.

Bei einer Vorführung begegnet sie dem Fotografen Nakamori, der allmählich sein Augenlicht verliert. Er gibt ihr den Tipp weniger Worte für die Audiodeskriptionen zu verwenden, vor allem weniger wertende Worte. Erst fühlt sich Misako auf den Schlips getreten.

Doch als sich die beiden wieder treffen, nähern sie sich an. Der Vorschlag von Nakamori verbessert Misakos Audiodeskriptionen in der Tat. Denn der Film, an dessen Hörfassung Misako arbeitet, handelt von dementen Senioren. Da Misakos Mutter selbst dement ist, fällt ihr die Distanz zum Projekt schwer.

Misako ist Autorin für Hörfassungen. Foto: 2017 Concorde Filmverleih GmbH

Die japanische Filmemacherin Naomi Kawase (*1969) ist keine Unbekannte, auch „Kirschblüten und rote Bohnen“, „AN“, „Still the Water“ stammen von ihr. Sie hat seit 1997 neun Filme auf den Internationalen Filmfestspielen in Cannes gezeigt. In diesem Jahr war sie mit ihrem neuesten Filmkunstwerk wieder im offiziellen Wettbewerb mit von der Partie. Ihr poetisches Drama Radiance, zu deutsch Glanz oder Strahlung, sorgte an der Croisette für Aufmerksamkeit. 


Misako entdeckt in Nakamoris Bildern eine seltsame Verbindung zu ihrer Vergangenheit – und gemeinsam entdecken die beiden eine Welt, die für Misakos Augen bislang unsichtbar war, zum Beispiel durch Ertasten. Wenn Nakamori das Gesicht von Misako mit den Händen erkundet, ist das ein intimer Moment – und viel romantischer als ein klassischer Kuss.

Die Aufnahmen in „Radiance“ sind bildgewaltig. Zu schade, dass Blinde sie nicht sehen können. Damit öffnet einem der Film die Augen dafür wie wertvoll es ist sehen zu können und welche Möglichkeiten eines Ersatzes es für Menschen mit Sehbehinderung gibt. Ein in magisches Licht getauchtes Drama, Kino über die Schönheit des Kinos, eine gesponnene Erforschung der Unsicherheit und des Verlustes.

Radiance läuft ab dem 14. September im Kino

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