Es ist doch etwas überraschend, dass man über einen Bischof, der 49 (!) Jahre ein Bistum geleitet hat, so wenig weiß. Überliefert ist, dass er recht beeindruckend gewirkt hat und auf ihn mehrere Wunderheilungen zurückzuführen sind, auch nach seinem Tod. Heute wird er deshalb um Hilfe bei Nierenkrankheiten angerufen. Und dann weiß man noch aus seinem Leben, dass sein guter Freund, der Hl. Martin, Bischof von Tours – der ist ja bekannt – mit an seinem Sterbebett saß und ihn bestattet hat. Ach ja, nicht zu vergessen: Bei der Überführung seiner Reliquien hat wohl ein Pfau den Weg angezeigt – ziemlich ungewöhnliches Navi oder?
Doch bei all den wenigen Dingen, die wir über das Leben des Hl. Liborius wissen, ist es doch verwunderlich, dass wir ihn bei uns im Bistum jährlich so groß und pompös feiern. Irgendetwas muss er also doch gemacht haben, das die Menschen dazu bewegt hat, ihn zu feiern.
Wenn wir allgemein auf die Heiligenverehrung schauen, dann sehen wir, dass es oft so ist, dass wir gar nicht so viele Einzelheiten über das Leben dieser wissen. Das liegt, gerade bei Heiligen der frühen Kirche daran, dass ihre Lebenszeit schon so lange vorbei ist. Aber es kommt auch gar nicht unbedingt darauf an, eine genaue Biographie zu kennen. Vielmehr können wir uns dadurch, dass die Verehrung und das Feiern des Heiligen bis heute andauert, umso sicherer sein, dass für die Zeitgenossen der Mensch wohl eine so große Rolle gespielt hat. Und er war wohl ein so großes Vorbild gespielt hat, dass sie sich sicher waren, dass dieser in den Himmel gekommen und somit ein Heiliger ist.
Doch gerade wenn wir nicht wissen, was genau der Heilige Liborius gemacht hat, wie können wir ihn dann heute als Vorbild im Glauben sehen und was hat er uns in unserer Zeit zu sagen?
Eins ist klar: Die Liborius-Verehrung hat von Grund auf internationale Bedeutung! Durch die Freundschaft der damaligen Bischöfe Badurad von Paderborn und Alderich von Le Mans wurden die Reliquien des Heiligen Liborius im Jahr 836 von Le Mans nach Paderborn überführt, um den Glauben im Paderborner Land zu stärken. Durch diese Verbundenheit entstand eine Freundschaft, die heute als „die älteste Städtefreundschaft der Welt“ und auch als der „Liebesbund ewiger Bruderschaft“ bekannt ist. Durch verschiedene Epochen hindurch hat diese Verbundenheit noch heute Bestand. Der Bischof und weitere Vertreter und Gläubige des Bistums Le Mans besuchen jährlich unser Liborifest in Paderborn und ebenso besuchen wir Paderborner das Juliansfest im Januar in Le Mans.
Auch unter Jugendlichen besteht diese Freundschaft bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Vor allem durch die Liborius-Fraternität, die 1960 gegründet wurde, wird diese Freundschaft gelebt und es finden regelmäßig gegenseitige Besuche statt. Durch die Fahrten mit Jugendlichen und Erwachsenen werden aus der Städtefreundschaft ganz konkrete persönliche Freundschaften und junge und alte Christen aus den beiden Bistümern kommen miteinander in Kontakt und Austausch. Etwa 1600 Jahre nach seinem Tod wirkt das Leben des Heiligen Liborius noch immer nach und verbindet Jung und Alt miteinander.
Die wohl sichtbarste Nachwirkung des Heiligen Liborius ist das jährliche Liborifest. Neun Tage lang findet eins der größten und ältesten Volksfeste Deutschlands in Paderborn statt, es kommen viele Besucher und Stadt und Dom sind prall gefüllt. Auch hier schafft Liborius Verbundenheit. Wenn wir feiern, dann kommen wir zusammen, dann ist gute Stimmung und wir besinnen uns auf das, was uns miteinander verbindet. Im Zusammenspiel aus Kirche, Kirmes und Kultur mit einem umfangreichen Programm kommt jeder auf seine Kosten.
Kirchlich beginnt das Liborifest immer um den 23. Juli, dem Gedenktag des Heiligen Liborius, mit der Erhebung seiner Reliquien in einer feierlichen Vesper im Dom. Diese werden dann drei Tage lang zur Verehrung ausgestellt, bis sie am Dienstag wieder beigesetzt werden. Für viele Liboribesucher, selbst die, die nicht oft in die Kirche gehen, gehört es einfach traditionell dazu, auch dem Heiligen Liborius einen Besuch abzustatten. Erweitert werden die kirchlichen Feierlichkeiten durch viele weitere Gottesdienste für verschiedene Gruppen, die sich im Erzbistum auf unterschiedlichste Weise engagieren. Auch dies schafft wieder Verbundenheit und Einheit.
Durch den Heiligen Liborius kommen wir in der Kirche zusammen, feiern und loben Gott. Dass Liborius den Glauben im Bistum stärkt, ist nicht nur eine Sache der Vergangenheit, sondern heute noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Überführung von Le Mans nach Paderborn.
Auch wenn wir nicht viele Einzelheiten über sein Leben und Wirken im 4. Jahrhundert wissen, eins ist doch klar: Liborius muss so ein großer Bischof gewesen sein, dass die Leute seine Verehrung bis in die heutige Zeit hineingetragen haben. Dabei ist für uns gar nicht so wichtig, was genau er alles getan hat, viel wichtiger ist, wie er uns heute miteinander vereint, seine Freundschaft mit Alderich immer noch weiter besteht und wir durch ihn im Glauben gestärkt werden.