Wie treffe ich Entscheidungen?
02.08.2022
Body & Soul

Entscheiden

Über die Frage: Wohin geht mein Weg im Leben?

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von Laura Reuter

20.000 Entscheidungen trifft ein Mensch jeden Tag. 90 Prozent davon unbewusst. Doch die bewussten Entscheidungen fordern uns oft heraus. Wohin zwischen all den Möglichkeiten? Wir haben über diese große Frage mit zwei Experten gesprochen.

Alexandra Gehlhaus begleitet Menschen, die auf der Suche nach ihrem persönlichen Weg sind. Als Supervisorin und Coach unterstützt sie in Veränderungsprozessen und bei großen Entscheidungen. Johannes Schäfers ist Gemeindereferent und Berufungscoach im Erzbistum Paderborn. Er weiß, welche Rolle der Glaube in solchen Entscheidungsprozessen spielen kann.

Alexandra Gehlhaus
Alexandra Gehlhaus

»Ich muss mir nicht den Druck machen, immer den direkten Weg zu nehmen, immer sofort den richtigen Weg finden zu müssen. Manchmal mache ich gerade auf Umwegen wertvolle Erfahrungen.«

Alexandra Gehlhaus
Supervisorin und Coach

Wertvolle Umwege

Wohin führt mein persönlicher Weg? Und wie kann ich ihn finden? Das sind Fragen, die sich Menschen an verschiedenen Punkten ihres Lebens stellen. Nach dem Schulabschluss, nach dem Studium oder der Ausbildung. Während des Studiums oder mitten im Berufsalltag, wenn der Wunsch nach Veränderung entsteht. „Wir wünschen uns oft, dass wir eindeutig sehen könnten, was der richtige Weg für uns ist. Das ist aber im Leben nicht so. Jeder Weg ist ganz individuell“, sagt Gehlhaus.

Sie vergleicht den Lebensweg mit einer Autofahrt: „Auch da gibt es mehrere Wege und nicht immer Wegweiser. Manches muss ich ausprobieren. Für den einen ist der langsame Weg der richtige, für den anderen die Autobahn. Und Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Ich muss mir nicht den Druck machen, immer den direkten Weg zu nehmen, immer sofort den richtigen Weg finden zu müssen. Manchmal mache ich gerade auf Umwegen wertvolle Erfahrungen.“

Eine Entscheidung gibt die Energie, um loszugehen
Eine Entscheidung gibt die Energie, um loszugehen

Herz oder Kopf?

Wegkreuzungen fordern Entscheidungen. Jede und jeder geht anders damit um. „Es gibt Menschen, die lieben es zu entscheiden, die haben da Spaß daran“, beobachtet Schäfers. Wenn man sich entschieden hat, ist das eine Erleichterung. Man muss etwas Anderes nicht mehr mit sich herumschleppen. Und eine Entscheidung gibt Energie, um loszulegen.

Auf der anderen Seite gibt es die, die sich schwer tun zu entscheiden. „Manche sind eher Kopfmenschen. Die schreiben pro-und-contra-Listen vor ihren Entscheidungen. Andere entscheiden aus dem Herz heraus. Einfach so, wie es spontan aus ihnen herauskommt. Und dann gibt es die, die sich später selbst korrigieren.“ Schäfers hält es für wichtig, von sich selbst zu wissen, welcher Entscheidungstyp man ist. Und auch, wie man mit Fehlentscheidungen umgeht.

Gehlhaus rät: „Es ist wichtig, mir selbst auch die Erlaubnis zu geben, mal eine falsche Entscheidung treffen zu dürfen. Wir wissen alle: Irren ist menschlich. Trotzdem erlauben wir das manchmal allen anderen, aber uns selbst nicht. Da stehen wir uns selbst im Weg.“

Entscheidungen treffen
Entscheidungen treffen
Johannes Schäfers
Johannes Schäfers

Wofür will ich mich einsetzen?

Auf der Suche nach dem eigenen Weg stehen alle vor ähnlichen Fragen. Vor einem quälenden Entweder-oder, vor einem unsicheren Blick in die Zukunft. Deshalb können wir in den eigenen Fragen von anderen Menschen lernen. Zum Beispiel von Berufungs-Coach Johannes Schäfers.

Für ihn geht es zuerst darum, sich die eigenen Stärken bewusst zu machen: Was kann ich besonders gut? Wo liegen meine Ressourcen? Für Schäfers ist auch der Blick auf die individuellen Bedürfnisse wichtig: „Gott meint es gut mit uns. Er will, dass wir ein erfülltes Leben führen. Da ist es wichtig, zu wissen, was ich mir für mich darunter vorstelle.“

Als Gemeindereferent arbeitet Schäfers auch mit Pfadfinderstämmen zusammen. Ihr Wahlspruch: Hinterlasse die Welt ein kleines bisschen besser, als du sie vorgefunden hast. Daraus könne man für die Suche nach der eigenen Berufung etwas Wichtiges mitnehmen: „Die Frage nach dem persönlichen Einsatzwillen ist eine gute Orientierung. Man sollte sich fragen: Wofür will ich mich einsetzen? Was soll durch mich besser werden?“

»Gott meint es gut mit uns. Er will, dass wir ein erfülltes Leben führen. Da ist es wichtig, zu wissen, was ich mir für mich darunter vorstelle.«

Johannes Schäfers
Gemeindereferent und Berufungscoach

Eigene Grenzen überschreiten

Wer diese Fragen zum Teil für sich beantwortet hat, ist herausgefordert, die ersten Schritte zu gehen. „Das ist nicht immer leicht“, weiß Gehlhaus. „Es geht darum, seine eigenen Grenzen zu kennen und dann den Mut zu haben, sie zu überschreiten.“ Unsere Grenzen zu kennen, gibt uns Sicherheit. Innerhalb dieser Grenzen können wir uns eine Komfortzone zum Auftanken einrichten.

Aber wer diese Zone nie verlässt, hat keine Möglichkeit zur Veränderung. „Das bedeutet Stillstand. Und das ist auf die Dauer nicht gut. Deshalb halte ich es für wichtig, meine Grenzen auch bewusst zu überschreiten. Das kostet Mut. Aber vielleicht wird daraus eine größere Komfortzone.“

Mut bekomme, wer genug Kraft und Energie habe. Deshalb ist es Gehlhaus wichtig, die Resilienz der Menschen, die sie begleitet, zu stärken. Sie erklärt: „Die Resilienz ist das Immunsystem der Seele. Wir brauchen diese Widerstandskraft, damit uns so schnell im Alltag nichts umwerfen kann, sondern wir mit Herausforderungen gut umgehen können.“ Gehlhaus glaubt. Sie ist Christin. In ihren Coachings erlebt sie, dass auch der Glaube ein Resilienzfaktor sein kann, der Menschen Stärke gibt.

Berufungscoaching bei Johannes Schäfers
Berufungscoaching bei Johannes Schäfers

Mein Weg – von Gott berufen?!

Schäfers begleitet Menschen, die aus christlicher Perspektive nach ihrem Weg fragen. Die für Gott ihre Komfortzone verlassen wollen. Die auf der Suche nach ihrer Berufung sind. Damit sind nicht nur die gemeint, die einen Beruf innerhalb der Kirche ausüben wollen. „Wenn jemand sagt: ‚Ich fühle mich von Gott berufen‘, klingt das übergroß. Dabei sind alle Menschen zunächst einmal von Gott ins Leben berufen.“

Für Schäfers ist Berufung nicht ein bestimmter Moment, in dem einem Menschen plötzlich klar wird, wer er ist. Er sagt: „Gott ist vollkommen und trotzdem braucht er den Menschen für bestimmte Dienste. Und wenn der Mensch bereit ist, seine Fähigkeiten für genau diesen Dienst einzusetzen, ist diese Passung für mich Berufung.“ Er unterstützt Menschen dabei herauszufinden, worin diese Passung bei ihnen persönlich besteht. Das herauszufinden, ist keine leichte Aufgabe.

Es gibt so viele Berufungen, wie es Menschen gibt. „Für eine gute Entscheidung braucht man auch Ratgeber“, weiß Schäfers. „Das können nicht nur Freundinnen und Freunde, Lehrer oder gute Bücher sein. Auch im Glauben suchen Menschen in solchen Situationen Rat. Vielleicht ist dein Wertekonstrukt, das du durch deinen Glauben hast, eine Stütze für eine Entscheidung. Vielleicht findest du in der Heiligen Schrift einen Rat. Vielleicht hilft dir das Lebenszeugnis von anderen Menschen, die im Glauben aktiv waren oder sind, um eigene Entscheidungen zu treffen.“

Und am Ende gilt es dann, auf Gott zu vertrauen: „Ich darf diese Entscheidung dann auch leben, statt sie direkt wieder infrage zu stellen“, sagt Schäfers. Im Vertrauen darauf, dass die Entscheidung schon richtig ist.

Wohin geht mein Weg?
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