Das Kalenderblatt für März mit dem Spruch: Gott vergisst dich nicht!
01.03.2021
Holy Heroes 2021

Gott vergisst dich nicht

März: Holy Hero Maximilian Kolbe

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von Miriam Pawlak

Polen ist meine Heimat. Das polnische Christentum ist glaubenskräftig und emotional. Wir lieben es, den leidenden Christus im Elend darzustellen, weil es das Bild ist, mit dem wir uns als Volk am meisten identifizieren können. Die Armut gehört zu unserem Selbstverständnis dazu, ich kenne keine Familie, die nicht Armut, Leid und Repression erfahren hat. Sogar unsere Lieder und Musik sind von melancholischen Tönen untermalt.

Ich wurde streng katholisch erzogen. Mit den Jahren entwickelte ich eine krasse Marienfrömmigkeit. In Polen ist diese Art der Frömmigkeit sowieso stärker verbreitet als in anderen europäischen Ländern. Polen hat Maria quasi zur Königin des Landes erkoren und Tschenstochau als das Nationalheiligtum schlechthin.

Von Anfang an war ich für andere da und nicht für mich.

Schon als Kind nahm meine Mutter meinen Bruder und mich auf die alljährliche Wallfahrt zur Ikone der „schwarzen Madonna“ mit. Vor ihr kniet gefühlt ganz Polen nieder und betet so intensiv, dass sogar Tränen fließen und man sich am Ende von der Gottesmutter getröstet fühlt. Ich weiß ja nicht, wie du es so mit Maria hast, aber ich ziehe eine enorme Kraft aus der Verehrung. Maria symbolisiert für mich die Mütterlichkeit der Kirche, in der ich mich geborgen weiß. Sie ist vor allem ein Zeichen dafür, dass meine Frömmigkeit aus dem Herzen stammt.
Als Franziskanermönch aus dem Herzen Europas habe ich versucht, das Evangelium in die Welt zu bringen. Erst leitete ich unser Minoritenkloster in Niepokalanów (Polen) bis ich expandierfreudig wurde. Voller Tatendrang baute ich mit einigen Mitbrüdern ein Kloster in Japan auf und lernte dort die Sprache. Von Anfang an war ich für andere da und nicht für mich. Daran änderte auch der zweifache Doktortitel nichts.

Du kennst mich aber nicht von meinen Erkundungs- und Missionsreisen her. Wenn du meinen Namen hörst, denkst du sicher an Auschwitz. Dieser Ort mit dem riesigen Konzentrationslager. Dieser Ort, über den es nahezu unmöglich ist, zu schreiben. Dieser Ort war wie eine totale Sonnenfinsternis.

Maximilian Kolbe

Ich war Nummer 16670. Das Arbeitslager, zu dem man mich trotz meiner Krankheiten zugeteilt hatte, führte ein sadistischer Krimineller. Widerstandslos verrichtete ich die Befehle: schwere Kieskarren schieben, Leichname auf Schubkarren laden und zu den Verbrennungsöfen fahren. Ich kann dir nicht erklären, warum ich bis zum Ende am Glauben an Gott festgehalten habe. Menschen wurden vor meinem Auge gedemütigt, erschossen, verbrannt. Sogar als ich dem Tod ins Gesicht geblickt habe und wusste, dass es jede Sekunde vorbei sein wird, verharrte ich im Gebet. Ich betete inbrünstig zur Mutter Gottes - wie ich es seit Kindertagen gewohnt war. Im letzten Brief an meine eigene Mutter schrieb ich, dass Gott an jedem Ort sei. Ich war mir sicher, er war auch im KZ. Ich weiß nicht wo, auch nicht warum es überhaupt so weit kommen konnte. Ich nahm es einfach an. Meine ganze Hoffnung hing an ihm.

An dem Tag, an dem aus unserer Zelle willkürlich zehn Männer zum Hungertod verurteilt wurden, begann auch meine Zeit abzulaufen. Der Lagerführer wählte unter anderem einen Familienvater aus. Ich kannte ihn nicht näher, wusste aber, dass Frau und Kinder auf ihn warteten.

Dann begann der langsame Weg zum Tod.

Also nahm ich meine Mütze ab und näherte mich demütig dem uniformierten Mann. Dieser zog sofort seinen Revolver und brüllte: „Steh! Was ist los?!“
Mit leiser Stimme gab ich ihm zur Kenntnis, dass ich für den Familienvater in den Tod gehen wollte. Er fragte mich nach meinem Beruf. Ich sagte die Wahrheit: „Priester“. Nach einem Augenblick atemlosen Schweigens ließ er es zu. Das war der ergreifendste Moment für alle Anwesenden, denn alle waren überrascht, dass der Lagerführer eingewilligt hatte, wo sonst jede falsche Bewegung sofort bestraft wurde.

Dann begann der langsame Weg zum Tod. Zusammen mit den anderen verurteilten Häftlingen wurde ich in den Hungerbunker eingepfercht. Wir waren splitternackt. Die Zelle war dunkel und viel zu klein für uns. Wir standen eng beieinander, es war kein Patz zum Sitzen. Tag und Nacht standen wir, bis der erste vom quälenden Durst und Hunger und fehlender Kräfte umfiel. Ich stimmte Marienlieder an und betete mit meinen Leidensgenossen. Ich bereitete sie auf den Tod vor und sagte, sie sollten dem Himmel entgegenblicken. Einer nach dem anderen starb unter stöhnendem Röcheln und wurde aus dem Bunker geholt, den die SS-Männer für die nächsten Verurteilten brauchten. Ich war der Letzte. Als ich nach 14 Tagen immer noch atmete, verabreichte man mir die tödliche Phenolspritze.

Ihr dürft niemals den Glauben und die Hoffnung auf Gott aufgeben.

Warum habe ich dir das Ende meiner Geschichte so ausführlich erzählt? Du, deine Generation und die folgenden – ihr dürft niemals vergessen, was in der Vergangenheit geschehen ist; aber vor allem dürft ihr – so grausam euch manche Lebenssituationen vorkommen mögen, so tief eure Wunden sind, so schmerzhaft eure Qualen – ihr dürft niemals den Glauben und die Hoffnung auf Gott aufgeben. An mein Handeln sollt ihr euch erinnern, als ein Bild, an dem ihr euch festhalten könnt.

Ich bin kein Star. Ich wollte nicht verherrlicht werden. Ich habe getan, was meinem Gewissen entsprach. Mein Name steht für die unzähligen unbekannten Leidenden. Ich bin nur einer von vielen. Umso wichtiger ist es, dass ihr uns und die Vergangenheit nicht vergesst, damit sich sowas nie wieder wiederholt.

Ich musste mir damals meinen Rosenkranz aus Brotkrümeln basteln, aber ich hatte etwas, an dem ich mich festhalten konnte; und das Beten habe ich nie verlernt. Versprich mir folgendes: Vergiss Gott nicht, denn er wird dich niemals vergessen. Dafür stehe ich mit meinem Leben, das erst nach dem Tod richtig angefangen hat. Behalte mich im Gedächtnis als Märtyrer – im Glauben und Bekenntnis zu Gott, für den ich Zeugnis abgelegt habe.

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