Eine Familie blickt dem Sonnenuntergang entgegen.
20.12.2021
Exklusiv

Hatte Jesus Geschwister?

Was wir über Jesu Familie wissen

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von Jan-Niklas Kleinschmidt

Weihnachten steht vor der Tür – bald ist es so weit. Vor meinem inneren Auge sehe ich einen geschmückten Tannenbaum im Wohnzimmer. Ich rieche, wie der Duft von selbstgebackenen Keksen durch die Küche schwebt. Und im Radio läuft „Last Christmas“, klar.

Auch wenn Weihnachten unterschiedlich gefeiert wird, verbringen die meisten von uns diese Tage mit der Familie. Sich gegenseitig beschenken, gemeinsam essen und alles bis auf die letzte Minute vorbereiten. Als ich an mein Weihnachtsfest gedacht habe, kam mir der Gedanke: Mit wem würde Jesus wohl so ein „Fest der Liebe“ feiern? Hatte Jesus wohl Geschwister?

Mit dieser Frage mache ich mich auf, zu einer Reise durch die Theologie. Ich möchte herausfinden, ob Jesus Geschwister hatte – und was das für mich persönlich bedeuten kann.

Die Bibel nennt „Brüder Jesu“

Die Frage nach Jesus Familie ist sicherlich keine der zentralen theologischen Fragen. Jedoch gibt es unterschiedliche Standpunkte von Theologinnen und Theologen, die sich noch heute dieser Frage widmen.

Im Matthäusevangelium finden wir einzelne Stellen, in denen Brüder Jesu erwähnt werden. Sogar namentlich:

Jesus war Sohn eines Zimmermanns.
Jesus war Sohn eines Zimmermanns.

»Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und sind nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas seine Brüder?«

Matthäus 13,55

Auch außerbiblische Quellen kennen den "Herrenbruder"

Diese und weitere Bibelstellen interpretieren viele evangelische Theologinnen und Theologen wörtlich. Sie sind der Meinung: Jesus hatte Geschwister. Einer davon war zum Beispiel Jakobus. Über ihn erfahren wir in der Apostelgeschichte (Apg 15,13; 21,18) und in den Paulusbriefen (z.B. Gal 1,19), dass er eine wichtige Säule in der Jerusalemer Gemeinde war, die sich nach Tod und Auferstehung Jesus gebildet hat. Vor allem, nachdem Petrus gen Rom ging. Nach ihm leitete Jakobus die Gemeinde.

Auch in außerbiblischen Quellen wird Jakobus als „Bruder Jesu“ betitelt. So berichtet der jüdische Historiker Flavius Josephus von dessen Hinrichtung im Jahr 62 nach Christus. Auch andere, sowohl christliche als auch nichtchristliche Quellen nennen Jakobus den „Herrenbruder“. Sie beschreiben auch, wie er mit Autorität in vielen theologischen Themen die alte Kirche prägte.

Sind Brüder gleich Brüder?

Zwei Männer grüßen sich mit der Corona-Faust.

Die katholische Kirche hinterfragt, ob Jakobus wirklich der Bruder Jesu war. Was spricht dagegen? Zum Beispiel, dass im hebräischen und aramäischen alle Verwandten mit dem Begriff „Bruder“ bezeichnet werden. So werden im Buch Genesis Lot und Abraham „Brüder“ (Gen 13,8) genannt, obwohl sie Onkel und Neffe waren.

Diese Redensart wurde im Griechischen übernommen. Somit lässt sich der Begriff „adelphos“ sowohl mit „Blutsbruder“ und „Stiefbruder“ als auch mit „Vetter“, „Nachbar“ oder „Onkel“ übersetzen. Das lässt offen, ob Jakobus und Co. wirklich Jesu Brüder waren. Oder vielleicht seine Cousins.

Ein Indiz dafür, dass Jakobus und Co. Verwandte entfernteren Grades sein könnten, findet sich im Johannesevangelium. Dort heißt es: „Als Jesus die Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zur Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26.27).

Jesus gibt Maria in die Obhut von jemandem, der nicht mit ihr verwandt ist. Hätte Maria noch andere leibliche Söhne gehabt, wäre dies undenkbar gewesen.

„Jesus ist der einzige Sohn Marias“

Hatte Jesus Geschwister? Auf katholischer Seite gibt es zu dieser Frage noch ein Argument, das wie ein Totschlagargument daherkommt: das Dogma der „Immerwährenden Jungfrau Mariens“. Dieser Glaubenssatz besagt, dass Maria vor, in und nach der Geburt Jungfrau war. Im Katechismus, dem „Handbuch für römisch-katholische Glaubensfragen“ heißt es deshalb im Absatz 501: „Jesus ist der einzige Sohn Marias“.

Streng dogmatisch gesehen ist damit die Ausgangsfrage geklärt. Doch eine andere Frage bleibt offen: Was bedeutet das für meinen persönlichen Glauben?

Ich kann zugeben: Mir gibt es etwas, mir Jesus als Familienmensch vorzustellen. Ich habe vor Augen, wie er mit seiner Family gestritten, geweint und gelacht hat. Das öffnet eine ganz menschliche Seite von Jesus. Ich spüre: Alles, was ich erlebe, denke, fühle, könnte Jesus auch erlebt haben. Er ist wirklich einer von uns.

Und doch ist Jesus mehr als das. Er ist der Sohn Gottes. Ganz Mensch und ganz Gott. Mich fasziniert auch seine göttliche Seite. Wie er aus der Verbindung zum Vater gelebt hat. Wie er Menschen berührt und geheilt hat. Wie er vom Tod auferstehen konnte. Wie er gezeigt hat: Gott kann Wunder wirken. Gott ist größer, als wir Menschen es uns vorstellen können. Er macht das Unmögliche möglich – an Weihnachten und auch in meinem Leben.

Hände sind zum Gebet gefaltet.

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