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19.03.2021
Miteinander

Ich habe dich beim Namen gerufen

Fünf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Taufe und Brit Mila

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von Benedikt Körner

Daniel, Esther, Matthias. Unsere Namen sind nicht nur Namen. Sie sind ein Stück Identität, sie machen uns aus. Unsere Eltern überlegen sich meist ganz bewusst, wie wir heißen sollen. Und Gott? Er sagt im Buch Jesaja (zu Jakob): „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jes 43,1).

Der große Oxmox riet ihr davon ab, da es dort wimmele von bösen Kommata, wilden Fragezeichen und hinterhältigen Semikoli, doch das Blindtextchen ließ sich nicht beirren. Es packteWow. Gott verspricht uns, dass er uns wirklich kennt, dass er uns bei sich aufnimmt. Diese krasse Zusage Gottes feiern wir im Christentum übrigens mit der Taufe. Und auch im Judentum gibt dazu ein ähnliches Fest: die Brit Mila. Bei der Brit Mila werden im Judentum männliche Babys acht Tage nach der Geburt beschnitten – das habt ihr bestimmt schon mal gehört. Aber wisst ihr sonst etwas darüber? Zeit, fünf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Taufe und Brit Mila zu entdecken. seine sieben Versalien, schob sich sein Initial in den Gürtel und machte sich auf den Weg.

„Näher als du denkst“ – unter diesem Motto läuft im Jahr 2021 eine Kampagne, die die Gemeinsamkeiten von Judentum und Christentum unterstreichen soll. Die Aktion lautet „#beziehungsweise – jüdisch christlich“ und ist ein Beitrag zum Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Jeden Monat greift die Kampagne ein anderes Thema auf. Im März: Taufe und Brit Mila. Weitere Informationen unter https://www.juedisch-beziehungsweise-christlich.de/

Fünf Gemeinsamkeiten

1. Initiation

Taufe und Brit Mila sind klassische Initiationsriten (Achtung, Theologen-Sprache!). Sie stellen den Eintritt in die jeweilige Glaubensgemeinschaft dar. Aber auch aus Sportvereinen oder Verbänden kennt ihr es vielleicht, dass man dort durch eine bestimmte Handlung oder Ereignisse aufgenommen wird. Ich sage nur: Mutproben.

2. Zusage Gottes

Sowohl bei der Taufe als auch bei der Brit Mila ist es nicht nur irgendeine Gemeinschaft, in die man eintritt, sondern eine auf Gott und das ewige Leben hin gerichtete Gemeinschaft. Daraus ergibt sich auch die Zusage Gottes, der uns sprichwörtlich beim Namen gerufen hat. Gott wird durch die Taufe und die Brit Mila zum „ich bin für dich da“(Ex 3,14). Die Beschneidung im Judentum stellt das sichtbare Zeichen dieses Bundes dar. Bei Mädchen gibt es natürlich keine Beschneidung, zum Zeichen der Aufnahme in die Gemeinschaft wird ihr Name am Schabbat nach der Geburt im Gottesdienst verkündet.

3. Namen aus der Tradition

Mit der Taufe und Brit Mila verbunden ist, dass damit das Kind einen Namen bekommt. Viele Namen gehen dabei auf biblische Figuren zurück, andere eher auf Heilige des Christentums. Doch auch viele Heilige sind nach biblischen Figuren benannt. Ein Beispiel: Viele Heilige tragen den Namen „Johannes“, der aus dem Judentum stammt. Joachanan bedeutet „Gott ist gnädig“. So kommen viele bekannte Namen aus der Bibel und somit aus der jüdischen Tradition: Benjamin, Daniel, Matthias – all das sind (teilweise) eingedeutschte hebräisch-jüdische Namen, die ins Deutsche übersetzt große Bedeutungen haben: Benjamin bedeutet „Sohn des Gerechten“, Daniel bedeutet „Gott richtet“ und Matthias ist die deutsche Version von Mattitjahu, „von Gott gegeben“.

4. Zeiten als Namensgeber

Oft spielt auch der Zeitpunkt der Geburt eine Rolle: Je nachdem, welches Fest im Judentum zur Zeit der Geburt gefeiert wurde, wurden die Neugeborenen nach bekannten Figuren aus der jeweiligen Geschichte benannt. Ende Februar war zum Beispiel Purim. Dieses Fest geht auf das Buch Esther zurück, die in dieser Erzählung eine Intrige gegen ihre jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger am persischen Hof aufdeckte und dem Verschwörer seine gerechte Strafe zukommen ließ. Gemeinsam mit Mordechai, der in der Geschichte auch eine wichtige Rolle einnimmt, sind sie Namenspatronin und Namenspatron für viele in dieser Zeit geborenen jüdischen Mädchen und Jungen.

Ähnliches kennt man aus dem Christentum: Dort gibt es den Brauch, Neugeborene nach dem jeweiligen Tagesheiligen zu benennen. Martin Luther wurde so beispielsweise nach dem heiligen Martin von Tours benannt (ja genau, der Martin), der am 11. November, am Tag nach der nächtlichen Geburt Luthers, Tagesheiliger ist.

5. Erneute Bekräftigung im Jugendalter

Brit Mila und die Taufe sind natürlich Riten, die traditionell von den Eltern ausgehen. Sie wollen, dass ihre Kinder in den jeweiligen Bund Gottes aufgenommen werden. Die Kleinkinder können das nicht selbst entscheiden. Dem sind sich Judentum und Christentum auch bewusst – und haben deswegen Feste etabliert, die Brit Mila und Taufe bekräftigen. Bei der Bar Mitzwa liest der Jugendliche das erste Mal öffentlich aus der Tora vor und gibt damit eine selbstbestimmte Zusage zum Judentum. Die Bat Mitzwa ist hierbei die weibliche Entsprechung, bei der die Jugendliche das erste Mal öffentlich aus der Tora vorliest. Im katholischen Christentum wird diese selbstbestimmte Zusage durch die Firmung gegeben, im evangelischen Christentum durch die Konfirmation.

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Fünf Unterschiede

1. Der Ritus

Natürlich gibt es auch Unterschiede. Größter Unterschied ist der Brauch an sich. Im Judentum werden männliche Neugeborene nach der Geburt an der Vorhaut beschnitten. Dies wird durch eigens ausgebildete Experten vorgenommen.

Im Christentum gibt es mehrere Formen der Taufe. Bei allen kommt der Täufling mit Wasser in Berührung. Üblich sind Taufen bei Neugeborenen, aber auch Erwachsene werden getauft. Dazwischen ist alles möglich. Auch der Kontakt mit dem Wasser variiert nach Glaubensgemeinschaft oder der Gegend: Mal wird die Stirn übergossen, mal wird das Kleinkind eingetaucht und auch bei Erwachsenentaufen kann es vorkommen, dass der Täufling komplett untertaucht.

2. Zeitpunkt

Der jüdische Ritus folgt einer speziellen Abfolge und so ist auch der Zeitpunkt exakt bemessen. Sofern es gesundheitliche Probleme nicht anders erzwingen, wird der Junge acht Tage nach seiner Geburt beschnitten. Weswegen das so ist, wird im nächsten Punkt erklärt. Eine Ausnahme stellt ein Übertritt zum Judentum im Erwachsenen-Alter dar. Auch dann muss ein Mann beschnitten werden. Solch einen festen Zeitpunkt gibt es im Christentum nicht. Üblicherweise wird auch sehr früh getauft, aber hier gibt es kein festgesetztes Datum.

3. Ursprung des Ritus

Das Fest der Brit Mila geht auf eine Anweisung Gottes an Abraham zurück: In Genesis 17,10-14 steht geschrieben: „Das ist mein Bund zwischen mir und euch samt deinen Nachkommen, den ihr halten sollt: Alles, was männlich ist unter euch, muss beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen […] Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden.“ Das erklärt, wieso der Zeitpunkt so wichtig ist und dass das wesentliche Merkmal, um als Mann zum Judentum zu gehören, die Beschneidung ist.

Die Taufe an sich ist auch schon im ersten (oder Alten) Testament bekannt, dabei handelt es sich um ein Reinigungsritual. Im zweiten (oder Neuen) Testament ist h Johannes der Täufer bekannt, der die Taufe als ein Ritual der Umkehr und Sühne vollzieht. Durch Jesus Christus wird die Taufe zum Zeichen des Bundes im Christentum. Von Jesus Christus ging auch die Taufaufforderung an seine Jünger aus, um das Umfeld zu bekehren und in die frühe christliche Gemeinde zu integrieren (Mt 28,19).

4. Der Namenstag

Eine bedeutende Rolle spielt der Namenstag im katholischen Christentum. Es ist der Tag, an dem der Namenspatron der Tagesheilige ist. Der Namenstag ist dabei traditionell wichtiger als der Geburtstag, noch heute gibt es bei kirchlichen Arbeitgebern einen Tag Extraurlaub – nicht am Geburtstag, sondern am Namenstag. Da die evangelische Kirche keine so große Heiligenverehrung wie die katholische Kirche kennt, gibt es den Brauch dort nicht.

Auch dem Judentum ist die Vorstellung eines Namenstages fremd. Was dort aber vorkommen kann, ist ein weltlicher und ein religiöser Name: Der weltliche Name wird im Alltagsleben verwendet, der jüdische Name in religiösen Zusammenhängen, wie dem Aufruf, die Tora zu lesen, bei der Heirat und anderen Anlässen.

5. Jungs gegen Mädchen?

Das Thema ist nun schon öfters umschifft worden. Also: Wie sieht es im Judentum mit der Brit Mila und Mädchen aus? Sind Mädchen, da sie nicht beschnitten werden, nicht Teil des Judentums? Nein, zunächst einmal ist jedes Neugeborene einer jüdischen Mutter, ob weiblich oder männlich, Teil des Judentums. Die Beschneidung ist, wie oben angesprochen, das sichtbare Zeichen, das in einem großen Fest mündet, ähnlich wie bei der Taufe. Neugeborenen Mädchen wird nicht dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wie einem Jungen. Aus diesem Grund wurde in letzter Zeit ein neuer Brauch eingeführt, der übersetzt „die Freude über die Tochter“ oder „Geschenk der Tochter“ genannt wird. Dabei wird wie bei der Brit Mila der Freude über Nachwuchs und einem neuen Mitglied der jüdischen Gemeinde Ausdruck verliehen. Denn Gott freut sich über jedes Kind, dass er beim Namen nennen und in seine Gemeinschaft aufnehmen darf.

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