Bei der 72-Stunden-Aktion kannst du deine Heimat gestalten
Baustellen, Trecker, Bischöfe und Schlagersänger Mickie Krause. Auf YouTube prägen diese Motive die Vorschaubilder der Trefferliste. Das Suchwort: 72-Stunden-Aktion. Die Videos dokumentieren, was 170.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bei der vergangenen Aktion im Jahr 2013 geleistet haben. Und wer sie dabei unterstützt hat.
In diesem Jahr startet die Veranstaltung des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) erneut. Vom 23. bis 26. Mai 2019 haben Jugendliche 72 Stunden Zeit, um ihr Projekt zu verwirklichen. Wie der BDKJ die Gruppen unterstützt und überrascht, darüber sprechen wir mit Anna Lena Schröder. Sie koordiniert die Aktion im Erzbistum Paderborn.
»Die Jugend kann so viel leisten. Die Erwachsenen-Welt müsste sie nur mal machen lassen. Den Raum haben sie während der Aktion.«
Anna Lena Schröder
Projektreferentin für die 72-Stunden-Aktion im Erzbistum Paderborn
Bis zur 72-Stunden-Aktion im Mai sind es noch einige Monate. An welches Projekt aus der letzten Aktion denken Sie gern zurück?
Auf dem Land gibt es oft zwei Dörfer, zwischen denen eine kleine, manchmal nicht ganz ernst gemeinte, Rivalität herrscht. Die Bewohner zwei solcher Dörfer haben von ihrem Koordinierungskeis vor Ort die Aufgabe bekommen: Knüpft ein kilometerlanges Freundschaftsband zwischen euren Orten. Die haben da gleich ein riesiges Fest Drumherum veranstaltet.
Im Fokus der Aktion sollen 2019 soziale Projekte stehen. Warum?
Beim letzten Mal gab es viele Bauprojekte. Das war schön. Aber wir wissen, dass es andere Dinge gibt, die nachhaltig sind. Es muss nicht der neue Spielplatz sein. Auch im sozialen Bereich können Viele im Kleinen etwas schaffen.
Ideen für die fünf Themenschwerpunkte:
Digitale Lebenswelt: Ein Musikvideo zum Kernthema der Aktion mit vorgegebenem Material drehen. Erstellt eine Dokumentation, wie Kirche früher war. Sucht Lösungen für ein Infrastrukturproblem in einer Pfarrei.
Zusammen leben: Teamspiele bauen. Eine Fahrradwerkstatt oder ein Repair-Café aufbauen.; Gestaltet eine Hompage für einen gemeinnützigen Verein. Gestaltet gemeinsame Tage mit Senioren, der Jugendhilfe oder Menschen mit Behinderung.
Gerechtigkeit schaffen: Lebensmittel sammeln für Tafeln. Infotage und faires Frühstück. Dreht einen Trickfiilm: Was ist kritischer Konsum?
Neues Lernen: Senioren Technik näherbringen. Treffen unterschiedicher Religionen: Wer glaubt eigentlich was?
Nachhaltigkeit fördern: Baut Nistkästen oder Insektenhotels. Veranstaltet einen Flohmarkt gegen die Wegwerfgesellschaft. Upcyling: alte Sachen sammeln und aufwerten.
Zuhause gestalten: Schaut nach Orten, die nicht mehr genutzt werden. Erstellt einen Sinnespfad. Legt einen Geocaching-Pfad für Sehenswürdigkeiten an. Ergmöglicht Barrierefreiheit.
Wie soll der Fokus denn umgesetzt werden?
Der BDKJ und die Jugendverbände haben sich zusammengesetzt und fünf Themenschwerpunkte gesetzt. Diese Schwerpunkte wurden nicht erfunden, sie finden sich in den Projekten wieder, die schon angemeldet wurde. Gruppen entwickeln ihre Aktionen so, dass sie vor Ort super passen. Nur vielleicht merken sie nicht, dass sie anhand dieser Schwerpunkte arbeiten.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Pfadfinder aus Hohenlimburg planen, 2019 einen essbaren Garten mitten in der Stadt zu bauen und anzupflanzen. Jeder darf sich bedienen. Wenn ich sehe: Cool, da sind Möhren. Dann nehme ich mir eine Möhre mit. Das passt wunderbar zum Thema Nachhaltigkeit, aber auch zusammen leben und Zuhause gestalten.
Klingt nach einem coolen Projekt. Aber warum braucht es dafür die 72-Stunden-Aktion? Die Pfadfinder könnten den Garten auch so bauen.
Die Aktion ermöglicht es Jugendlichen, sich selbst zu präsentieren, mehr Aufmerksamkeit für ihr Engagement zu erhalten. Ein Projekt ist sonst nur kurz in den lokalen Medien. Mit der Aktion haben sie eine ganz andere Bühne. Sie können zeigen, was sie in 72 Stunden schaffen, wo sich Erwachsene nicht ran wagen würden.
Außerdem gibt die 72-Stunden-Aktion ein besonderes Gefühl. Ich weiß: Mit mir setzen sich bundesweit Hunderte Gruppen mit Tausenden Jugendlichen ein. Dafür, dass unser Land bunter, sozialer, besser wird.
»Christ Sein hat für mich den riesigen Gemeinschaftsaspekt. Dass so viele Leute an eine Sache glauben, bei Themen an einem Strang ziehen. Dass mein ein riesiges Netz hat, in das man sich reinfallen lassen kann.«
Anna Lena Schröder
Wir führen das Gespräch nach einer Besprechung von Ihnen. Worum ging es?
Dass wir für die Aktion den Hashtag #72h in den sozialen Netzwerken etablieren. Das habe ich mit unserer Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit besprochen. Außerdem wollen wir die Koordinatoren auf regionaler Ebene briefen, welche Fotos sie von den Aktionen verbreiten dürfen. Wir wollen die bunte Vielfalt der Aktion zeigen, aber das muss auch rechtlich sicher sein.
Wie unterstützt der BDKJ die Gruppen vor Ort?
Es wird ein riesen Netzwerk geben. Durch den BDKJ sind die Teilnehmer versichert. Es gibt Krisenpläne, falls etwas schiefgeht. Wir bereiten den Gruppen Checklisten vor, wie es mit Spenden läuft. Wir schreiben Befreiungen für die Schule und den Arbeitgeber und Spendenquittungen. Wir bereiten die Gruppen mit Blick auf die Prävention vor. Auch spirituell profitieren die Jugendlichen. Es gibt ein Aktionsgebet, das hilft, Ruhe einkehren zu lassen, wenn alles schnell ist.
Bei der Aktion dürfen ausdrücklich Menschen aus allen Religionen und Konfessionen teilnehmen. Welche Gruppen sind bisher dabei?
Ganz viele Verbände. Gruppen, die es eh vor Ort gibt: KJG, Kolping, DPSG, KLJB und vereinzelt Messdienergruppen, Jugend-Caritas und Pfarrgruppen. Ganz viele wissen noch nicht genau, was sie machen. Die haben sich angemeldet, aber können es noch nicht genau sagen. Manche haben auch die Variante get-it gewählt.
Was bedeutet get-it?
Die Gruppen erhalten eine Aufgabe aus den Koordinierungskreisen vor Ort. Sie wissen bis zum Startschuss für die 72-Stunden-Aktion nicht, was ihr Projekt ist.
Wer sind die lokalen Koordinatoren, die die get-it-Projekte vorbereiten?
Es sind fast ausschließlich Ehrenamtliche, die stark von den Referenten für Jugend und Familie unterstützt werden. Sie kennen die Gruppen und Orte gut. Sie informieren sich, welches Projekt anstehen könnte, wie viele Leute sich engagieren wollen, wie mobil sie sind. Das ist der Wahnsinn.
Trotz aller Erfolge geht die Bindung der Jugendlichen an die Kirche zurück. Die Vereine und Verbände haben immer weniger Zuspruch. Ist die 72-Stunden-Aktion auch in Zukunft noch denkbar?
Ja. Viele unterschiedliche Gruppen, die man gar nicht auf dem Schirm hat, finden das Format toll. Sie engagieren sich punktuell. Dazu sind die katholischen Gruppen, die es schon gibt, meist automatisch dabei.
Die vergangene Aktion im Jahr 2013 hat der BDKJ wissenschaftlich ausgewertet. 98 Prozent der Teilnehmer haben gesagt, dass sie sich auch in der Freizeit mindestens für ein Ziel einsetzen. Ist die Jugend engagierter als ihr Ruf?
Ja. Die Jugend kann so viel leisten, hat so viel Interessen, an der Gesellschaft mitzuwirken. Die Erwachsenen-Welt müsste sie nur mal machen lassen. Den Raum haben sei während der Aktion.
Was meinen Sie mit machen lassen?
Die Erwachsenen liefern kaum etwas, wo die Jugend ihre Meinung los wird. Es gibt kaum Mitbestimmungsformen. Die Chance, sich aktiv einzubringen, wird ihnen nicht geben. Vor allem nicht selbstständig. Es muss meist ein Erwachsener dabei sein.
Wie symbolisiert die Aktion, was heute christlich ist?
Christ Sein hat für mich den riesigen Gemeinschaftsaspekt. Dass so viele Leute an eine Sache glauben, bei Themen an einem Strang ziehen. Dass man ein riesiges Netz hat, in das man sich reinfallen lassen kann. Dass so viele Menschen mit derselben Motivation zusammenkommen und dadurch so Sachen wie die 72-Stunden-Aktion zustande kommen. Miteinander. Füreinander. Kunterbunt gemischt.