„In dem Jahr habe ich gelernt, was Freiheit bedeutet“
02.10.2016

„In dem Jahr habe ich gelernt, was Freiheit bedeutet“

mundus Eine Welt e.V. ermöglicht Freiwilligendienst im Ausland

Von Dirk Lankowski

Eineinhalb Wochen hat Janos Cziopka gebraucht, bis er wieder in einen deutschen Supermarkt gegangen ist. „Und dann gab es überall nur Lebkuchen und es war die totale Reizüberflutung“, erzählt der 19-Jährige amüsiert. Seit einem Monat ist der junge Mann von seinem Freiwilligendienst in Madagaskar mit dem mundus Eine Welt e.V. zurück und lebt sich gerade wieder ein. „Es war eine sehr prägende, sehr verändernde und sehr sehr gute Zeit“, resümiert Janos. Dazu beigetragen hat vor allem die gute Begleitung durch die Paderborner Entsendeorganisation, die jetzt wieder Bewerber für den Freiwilligendienst im Jahr 2017 sucht.

Sebastian Koppers ist Vorsitzender des Vereins, der seit 25 Jahren im Umfeld der katholischen Jugendverbände im Erzbistum Paderborn aktiv ist. „Seit 2008 bieten wir jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren an, einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst zu leisten“, erklärt Koppers. Der Verein verbindet die unterschiedlichen Partnerschaften von Jugendverbänden, kirchlichen Vereinen bis zur Kirchengemeinde. Finanziert wird der Dienst über das sogenannte „weltwärts“-Programm der Bundesregierung und findet große Unterstützung auch im Kontext der „Missionare auf Zeit“ des Erzbistums.

"Ich wollte raus aus Deutschland"

Nicht mehr ganz so frisch, mit einem Jahr Abstand, blickt Lena Minge auf ihren Freiwilligendienst in Namibia zurück. Die 21-jährige Sauerländerin will jetzt Ergotherapeutin werden, die Zeit im Ausland hat sie auf dem Weg dorthin bestärkt. „Ich wollte raus aus Deutschland, ich hatte keine Lust mehr auf Leistungsdruck, ich war sogar bereit ein Auslandspraktikum für 1000 Euro anzunehmen“, erinnert sich Lena. Sie wollte einfach nur weg. Dann traf sie auf den mundus Eine Welt e.V. und hatte noch genau 24 Stunden Zeit, sich zu bewerben. Sie war überzeugt und versuchte es. Mit Erfolg.

Lena Minge, Janos Cziopka und Sebastian Koppers im Gespräch über ihre Erfahrungen mit dem Freiwilligendienst.

Gerade kommen wieder viele Bewerbungen in der Geschäftsstelle des Vereins am Busdorf 7 in Paderborn an. Bis zum 31. Oktober können sich junge Leute bewerben. „Wir haben jedes Jahr etwas über 60 Interessenten, am Ende bleiben zwischen 15 und 20 Bewerber über“, berichtet Sebastian Koppers. Die Bewerber werden vom 18. bis 20. November zu einem mundus-Orientierungswochenende in das ehemalige „Kloster Brunnen“ bei Sundern eingeladen, am Ende steht der Kreis der Freiwilligen, die im Sommer 2017 ausreisen. Die zukünftigen Freiwilligen müssen dann ihr „verbindliches Ja“, wie es Sebastian Koppers nennt, für den Dienst geben.

Im nächsten Schritt klären die Freiwilligen, welches Projekt sie gerne unterstützen möchten und müssen sich untereinander einigen. „Das war eine ganz spannende Zeit, es wurde diskutiert und geredet, manchmal auch geweint“, erinnert sich Lena Minge. Brasilien, Madagaskar, Namibia, Ruanda, Sambia, Sarajevo, Mexiko und Südafrika – die Einsatzorte könnten nicht unterschiedlicher sein. Mitarbeiten können die jungen Leute in Straßenkinder- und Aidsprojekten, in Schulen und Kinderheimen, der Landwirtschaft oder Gesundheitszentren. Der Verein trägt zwar alle Kosten und zahlt auch ein monatliches Taschengeld, aber die Freiwilligen sollen in ihrer Heimat im Freundes- und Familien einen Unterstützerkreis aufbauen, um die Idee des Vereins ideell und finanziell zu fördern.

"Der Freiwilligendienst war ein Geschenk"

„Die Leute waren total offen und herzlich“, erzählt Lena von ihrer Ankunft in Namibia. Sie hat dort in einer Schule und in einem Kindergarten mit 160 Kinder gearbeitet, der von sechs Nonnen geleitet wird. „Der Freiwilligendienst war ein Geschenk, ich habe so viel erfahren und gelernt“, sagt sie begeistert. Der mundus Eine Welt e.V. habe sie gut vorbereitet und während der Zeit begleitet. „Natürlich gab es auch schwierige Situationen, aber auch die haben geprägt. Zu 95 Prozent war es eine gute Zeit.“

Das Begleitungsnetz der Entsendeorganisation ist engmaschig, wie Vorsitzender Sebastian Koppers erklärt. Nicht nur über die Geschäftsstelle mit Referentin Theresa Fuhrmann sondern insbesondere über Wochenenden zur Vorbereitung und auch Rückkehrerseminare wird ein vielseitiges Angebot gestaltet. Die intensive inhaltliche Vorbereitung findet während eines zehntägigen Seminars statt, wo es aber auch – um es mit dem Modewort „ganzheitlich“ zu sagen - um den eigenen Lebensweg, Erfahrungen und Glaubensthemen geht. Sollte es notwendig sein, eine weitere Sprache als Englisch zu beherrschen, lernen die Freiwilligen das schnell und problemlos vor Ort in Seminaren.

Erinnerungsfoto aus Madagaskar: Janos Cziopka mit einigen Kindern, für die er schnell zum Freund wurde.

Janos hat das Madagaskar-Fieber noch nicht abgelegt. Wie selbstverständlich trägt er im herbstlichen Deutschland seinen Strohhut und sein Madagaskar-Shirt. „Für mich war es eine super Zeit, ich habe sogar überlegt, zu verlängern. Janos und Lena wollen aber auch nicht verschweigen, dass der Freiwilligendienst ein Abschied auf Zeit ist, denn sonst gelingt das Eintauchen in die Kultur und Lebenswelt vor Ort nicht. Janos: „Ich bin bei WhatsApp aus allen Gruppen rausgegangen und habe mich irgendwann nur noch alle vier Wochen gemeldet.“ Lena erinnert sich daran, dass sie zwei Mal mit ihren Eltern geskypt hat und es jedes Mal ein emotionaler Weltuntergang war. Der Kontakt musste weniger werden. „Ab dann war es die schönste Zeit, die ich je hatte. Ich habe wirklich im Hier und Jetzt gelebt“, berichtet Lena.

Engagiert in der Flüchtlingshilfe

Die Rückkehr in Deutschland gelingt meist problemlos. „Man ist sofort im Alltag wieder drin, es hat sich nichts verändert“, erklärt Lena Minge. Dennoch habe sich für sie viel verändert, „ich bin nach dem Jahr ein anderer Mensch“. Manche Freundschaften haben das nicht vertragen, Lena schaut heute anders auf Menschen. „Ich habe jedenfalls keine Lust mehr auf griesgrämige und unfreundliche Menschen.“ Sie engagiert sich neben ihrem Studium in Bochum in der Flüchtlingshilfe. Janos will nun Politikwissenschaften studieren, gönnt sich aber bewusst noch ein paar Monate zur Eingewöhnung. „Die Zeit werde ich nutzen, um mich sozial zu engagieren“, sagt er. Beiden ist bewusster geworden, wie dankbar sie dafür sind, dass sie in Deutschland aufwachsen und leben können. Der Freiwilligendienst war ein Geschenk. Lena Minge: „In dem Jahr habe ich gelernt, was Freiheit bedeutet.“

Hier geht's zur Homepage der Entsendeorganisation: www.mundus-eine-welt.de

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