Hannah Kesselmeyer lacht viel bei unserem Gespräch über Gott.
Hannah Kesselmeyer lacht viel bei unserem Gespräch über Gott.
30.07.2020
Body + Soul

Selbstverständlichkeit, Gott

Keine Frage: es gibt Gott!

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von Maike C. Kammüller

Hannah Kesselmeyer aus Bielefeld hat sich nie die Frage gestellt, ob es Gott gibt. Sie ist sich sicher, dass er da ist.

An einem lauen Sommertag treffe ich Hannah Kesselmeyer in Bielefeld zum Mittagessen. Wir haben uns über das gemeinsame Singen in einem katholischen Kirchenchor kennengelernt. Hannah ist 24 Jahre jung, sie schreibt gerade ihre Bachelorarbeit im Fach Soziologie und bewirbt sich auf einen Studienplatz für Soziale Arbeit in München.

Ich wusste, dass ich mit Hannah gut über Gott und ihre ganz persönliche Glaubensgeschichte sprechen kann. Aber so klare Statements von ihr überraschen und begeistern mich doch. „Ich kann mir ein Leben ohne Gott nicht vorstellen“, sagt Hannah. Diese schlichten Worte sagen viel über sie aus.

Idyllische Dorfkapelle
Idyllische Dorfkapelle

»Gott ist ein gutes Gefühl.«

Ihre Eltern wurden katholisch getauft, traten später in die Freikirche ein, wendeten sich wieder der katholischen Kirche zu und sind seither auf der Suche nach einem Ort für ihren Glauben. Als Kind ist Hannah ganz selbstverständlich in die Gottesdienste mitgegangen. Sie erzählt, wie fantastisch ihre Religionslehrerin in der Grundschule gewesen sei. Ihr zuliebe habe sie sich mit acht Jahren katholisch taufen lassen, wurde Ministrantin und nahm an allen großen und kleinen Feiern in der Kirche teil. Ihre Heimatkirche, St. Nikolaus in Oberbayern, ist eine wunderschöne Dorfkirche aus dem 12. Jahrhundert.

Hannah ging zu den Ministranten und Pfadfindern – und besuchte auch die alte Freikirche ihrer Eltern in München. Auf meine Frage, ob sie Gott vielleicht an unterschiedlichen Orten gesucht habe, antwortet sie: „Wo ich mit Liebe aufgenommen werde, da kann ich Gott fühlen. Dort bin ich richtig.“ Der Ort sei zweitrangig. Das Gefühl müsse stimmen.

Sie ist sich allerdings nicht sicher, ob Gott so ist, wie wir uns ein Bild von ihm gemacht haben. Ist er wirklich ein alter Mann mit weißem Bart, manchmal zürnend und grollend? Hannah glaubt nicht, dass dieses sehr menschlich geprägte Bild Gott beschreiben kann. „Als Jugendliche habe ich meine Gottesbeziehung nicht reflektiert. Er war da.“ Heute macht sie sich über ihn oft Gedanken. „Für mich hat Gott kein Geschlecht“, sagt Hannah, „aber ich spüre ihn in einem gelungenen Gottesdienst, in Momenten wie der Osternacht, wenn zum ersten Mal das Osterlicht in die dunkle Kirche getragen wird, die Orgel wieder spielen darf und alle Glocken läuten. Dann bekomme ich Gänsehaut.“

Ich möchte von ihr wissen, ob sie eine Vermutung hat, warum sie so fest an Gott glaubt. Hannahs Antwort darauf lautet: „Keine Ahnung. Gott ist für mich eine Selbstverständlichkeit.“ Da ist sie wieder, diese schlichte und feste Antwort. Ihre Überzeugung ist beeindruckend.

Welche Gestalt mag die göttliche Trinität haben?
Welche Gestalt mag die göttliche Trinität haben?

Trotzdem gab es für sie auch schwere Zeiten, in denen sie mit Gott gerungen hat. „Als ich aus meiner Heimat in Oberbayern wegziehen musste, brachte mich das in eine ernste Krise“, erzählt sie mir. Mit ihren Eltern zog sie nach Berlin und von dort aus ging sie nach dem Abitur nach Bielefeld. In eine für sie ganz fremde Welt. „Das ist nicht immer einfach, denn man hadert mit sich, wenn man plötzlich alleine und ganz auf sich gestellt ist.“ Da gab es schwere Stunden, in denen es ihr nicht gut ging. Dann wurde ihre Tante schwer krank und Hannah fand kaum mehr Worte zum Beten. In dieser Situation halfen ihr die Grundgebete der katholischen Kirche, wie Hannah erzählt. Für sie sind die Gebete mehr als nur leere Phrasen. Hannah nennt sie Worte, die die ursprünglichen Sehnsüchte eines jeden Menschen berühren. „Mit jedem Mal beten, war ein kleines Stück Traurigkeit fort“, sagt die 24-Jährige.

„Beten nimmt Last weg“, sagt Hannah. „Vor Gott kann ich nichts verbergen.“ Für sie ist das Gebet ein intimer Akt, etwas sehr persönliches, dass Kraft gibt, egal, wie es einem geht. Das hat sie schon als Kind verinnerlicht, als ihre Eltern mit ihr abends ein Gute-Nacht-Gebet gesprochen haben. Noch heute kann sie sich an die Bilder aus der Kinderbibel erinnern. Hannah erzählt, dass ihre Eltern bis heute ein festes Ritual haben. Sonntags schauen sie auf YouTube einen Gottesdienst, kochen eine Kanne Tee und zünden sich eine Kerze an. Dann wird gemeinsam gebetet.

„Ich weiß nicht wo ich jetzt wäre, wenn ich in der Zeit, als meine Tante todkrank war, nicht an Gott geglaubt hätte“, resümiert Hannah. Nach langem Suchen hat sie den nächsten Schritt auf ihrem Lebensweg gefunden. Sie wird Soziale Arbeit studieren – und ist umso fester geworden in ihrem Glauben an Gott. Sie hat erfahren, dass ihre Fähigkeiten, wie die jedes Menschen, begrenzt sind. Dass Gott sie trotz allem liebt. „Gottes Liebe ist bedingungslos. Ich kann nur auf die Füße fallen, egal wie tief ich falle. Und das ist gut. Das weiß ich einfach! Ich kann jedem raten, dass er seine Tür zum eigenen Herzen öffnen soll, damit der Glaube hineinfallen kann.“

Hannah Kesselmeyer auf neuen Wegen.
Hannah Kesselmeyer auf neuen Wegen.
Auf Gott hören, dass lohnt sich.
Auf Gott hören, dass lohnt sich.

Ein Leben ohne Gott? Undenkbar!

Hannah kann sich ein Leben ohne Gott kaum vorstellen. Für sie ist klar, dass sie Gott Raum geben muss. Genauso müsse man auch für seine Mitmenschen offen sein. Nur mit gelebter Liebe und Freundschaft könne man anderen Menschen Gottes Güte näher bringen. „Gott spricht mir ins Herz." Deshalb möchte Hannah sich für eine junge Kirche engagieren. Sie sagt: „Ohne uns junge Menschen ist Kirche verloren. Ich bleibe. So soll es nicht enden.“

Seit einigen Jahren macht sich Hannah ernsthafte Gedanken über das institutionelle Konstrukt Kirche und die Probleme, die daraus entstanden sind. „Wir müssen über das Zölibat, über die Rolle der Frauen, über Homosexualität, über Hierarchien diskutieren. Wir sollten uns überlegen: Was brauchen wir?“ Hannah ist sich sicher, dass echte Auseinandersetzung mit diesen Themen nur mit einem echten Glauben an Gott gelinge. Mit unserer Bereitschaft, Gott die Antwort zu überlassen.

Daher stört es sie, dass viele Hardliner in kirchlichen Debatten auf ihren Positionen beharren, anstatt in einen echten Dialog über die Zukunft der christlichen Kirche zu treten. „Ich will nicht in eine Rolle gedrängt werden“, so Hannah, „das stört mich am Regelwerk, das über Jahrhunderte von Menschen aufgestellt wurde.“ Die Grundlage von Kirche sei ganz einfach: Wir stehen vor Gott und sagen zu ihm: Hier bin ich - du nimmst mich an, wie ich bin. „Lasst uns gemeinsam etwas daraus machen!“ - diese einfache Botschaft fehlt ihr im Alltag und in der Kirchenpolitik. Zu oft gehe es um Macht. Religiöse Regeln würden dazu benutzt, Menschen in richtig und falsch einzuteilen. Das geschähe in jeder Religion. Doch an dieser Stelle sei nicht Gott im Spiel, sondern der Mensch, der bei diesen Verurteilungen vergessen habe, auf Gottes Wort zu hören: „liebet einander“. Hannah möchte, dass wir als Kirche im Dialog wieder lernen, vorurteilsfrei aufeinander zuzugehen und auf Gottes Wort zu hören. Er treffe die besseren Entscheidungen als wir.

»Ohne uns junge Menschen ist Kirche verloren.«

Also will Hannah ihren Teil dazu beitragen, dass Gott in unserer Gesellschaft bleibt. Gott ist für sie eine Herzenssache. Sie möchte eine Kirche mit Gott, in der sich jeder wohlfühlt. „Lass dich nicht von anderen von deiner Gottesbeziehung abbringen, sondern mach etwa aus ihr.“ Diese Aufforderung Hannahs möchte auch ich gerne weitergeben. Machen wir Gott zu einem selbstverständlichen Teil unseres Lebens und lasst uns gemeinsam hören, was er zu sagen hat.

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