Ohren auf für die jungen Leute
„Das hast du ja richtig professionell gemacht - für dein Alter.“ „Für ein so junges Mädchen, hast du dich ganz toll geschlagen! Ganz reizend.“ Oder ganz einfach nur: „Süß!“
Drei verschiedene Menschen, drei verschiedene Tweets. Ihre Gemeinsamkeit: Sie erzählen schemenhaft, wie sehr Unter-30-Jährige in der deutschen Politik ernst genommen werden. Offensichtlich nämlich gar nicht.
Wenn der Talkshow-Moderator dir gönnerhaft den Arm tätschelt und sagt: „Für ein so junges Mädchen, hast du dich ganz toll geschlagen! Ganz reizend.“ #diesejungenleute #WTF
— Jamila Schäfer (@jamila_anna) 24. Januar 2018
Der Klassiker, aber zum Glück auch die Ausnahme: „Und für welchen Abgeordneten arbeiten Sie?“ „Ähm, ich bin die Abgeordnete.“ #DiesejungenLeute #ltnrw
— Sarah Philipp (@philipp_fuer_DU) 24. Januar 2018
Bin heute morgen bei #RTL gefragt worden, ob ich in einer WG lebe. Werde anfangen solche überaus relevanten Fragen zu beantworten, sobald #Merkel und Co gefragt werden, ob sie beim Joghurt immer den Deckel ablecken. #diesejungenleute
— Juri Kühnert (@KuehniKev) 25. Januar 2018
Unter dem Hashtag #diesejungenleute sammeln sich seit Wochen hunderte solcher Beispiele auf Twitter. Angefangen hat das alles mit Kevin Kühnert, dem Juso-Chef. Er ist das Gesicht für die vielen SPD-Mitglieder, die sich gegen eine erneute Große Koalition stemmen.
Kühnert, 28 Jahre alt - oder in diesem Fall: jung - ist seit Wochen ein gefragter Gast in Talkshows und für Interviews. Aber auch er hat noch damit zu kämpfen, als junger Politiker genauso ernst genommen zu werden wie die Alten, Etablierten. Beispiel Markus Lanz: Der ZDF-Moderator fragte Kühnert, oder er denn alles noch mit seinen Eltern bespreche. Die Tagesschau stellte ein Porträt online mit der Überschrift: „Kevin ganz groß“. Das sind keine Einzelfälle. Und es sind Sachen, die es in der Art bei einer Angela Merkel oder einer Andrea Nahles wohl niemals geben würde.
Als es Kühnert nach einem Interview zu viel wurde, setzte er schließlich einen Beschwerde-Tweet ab: „Bin heute Morgen bei #RTL gefragt worden, ob ich in einer WG lebe.“ Klar: Als Student lebt man oft in einer WG, das gehört für viele selbstverständlich zum Uni-Leben dazu. Aber ist eine Wohngemeinschaft gleich ein Merkmal für jugendhafte Ansichten in der Politik? Nein.
Kühnert schrieb deshalb weiter: „Werde anfangen solche überaus relevanten Fragen zu beantworten, sobald #Merkel und Co gefragt werden, ob sie beim Joghurt immer den Deckel ablecken.“ Er versah die Nachricht mit dem Hashtag #diesejungenleute - schnell war eine Debatte und Bewegung ausgelöst, der sich immer mehr junge Menschen anschließen.
Es zeigt: Jung oder Alt, da gibt’s in Sachen Akzeptanz große Unterschiede. Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft oder Gesellschaft. Und das ist nicht fair. Müssen nicht gerade die jungen Leute ernst genommen werden? Ihre Ansichten sind immens wichtig, wenn es darum geht, die Zukunft zu gestalten. Die Meinung zwar sagen dürfen, dafür dann aber belächelt werden - das darf so nicht sein, egal wie man im speziellen Fall zur „GroKo-Entscheidung“ steht. Junge Leute, die sich in der Politik oder Gesellschaft einsetzen, verdienen Respekt und sollten genauso ernst genommen werden wie die Ü50-Fraktion.
Gerade in Zeiten, da die Bevölkerung immer älter wird und es weniger junge Leute gibt, ist das umso wichtiger. Denn junge Leute denken auch mal anders und geben neue Impulse - auch für die Kirche ist das bedeutend. Traditionsbewusstsein darf bleiben, aber es braucht auch ein modernes Denken, um attraktiv für junge Leute zu sein.
Deshalb will Papst Franziskus wissen, was die junge Leute weltweit bewegt. Die im Oktober stattfinde Bischofssynode, eine Versammlung von Bischöfen aus der ganzen Welt, widmet sich deshalb vor allem den Jugendlichen und ihren Ansichten. Sie sollen ins „Zentrum des Interesses“ gerückt werden, wie Franziskus in einem Brief an alle Jugendlichen schrieb.
Schon bei einer Vorsynode zur Jugendsynode werden einige Jugendliche, auch aus Deutschland, im Vatikan über die Zukunft, das Leben und den Glauben diskutieren.
»Eine bessere Welt wird auch Dank Euch, Dank Eures Willens zur Veränderung und Dank Eurer Großzügigkeit aufgebaut. Habt keine Angst, auf den Geist zu hören, der Euch zu mutigen Entscheidungen drängt, bleibt nicht stehen, wenn das Gewissen Euch einlädt, ein Risiko einzugehen, um dem Herrn zu folgen.«
Papst Franziskus in einem Brief an alle Jugendlichen
Es ist wichtig, dass junge Menschen, wie bei der Jugendsynode, zu ihrer Meinung gefragt werden. Denn wenn man wieder zurück auf die Berliner Politik schaut, folgt die Ernüchterung. Beim Koalitionsvertrag kommt das Thema Jugend zu kurz. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat den Vertrag dazu geprüft.
Der „große Wurf“ in Sachen Jugendpolitik bleibt aus Sicht des BDKJ leider aus - die Politik hält sich bedeckt und unpräzise, anstatt klare Ziele zu vereinbaren. Und auch die Digitalisierung scheint vorerst aufgeschoben, die Rentenpläne gehen vor allem zu Lasten der jüngeren Generation. Scharfe Kritik kommt von der BDKJ ebenfalls für eine Beschränkung des Familiennachzugs und die Unterbringung und Altersfeststellung von Kindern und Jugendlichen in so genannten Anker-Zentren. Lisi Maier, die BDKJ-Bundesvorsitzende sagt in einem Statement: „Minderjährige unbegleitete Geflüchtete erst nach Feststellung von Identität und Alter der Inobhutnahme der Kinder- und Jugendhilfe zu übergeben ist nicht kindgerecht und schadet den häufig traumatisierten Kindern und Jugendlichen.“
Mein Fazit: Die Jugend mitsamt ihrer Interessen, Visionen und Vorschläge muss mehr in den Mittelpunkt rücken. Denn #diesejungenleute sind es, denen in Gesellschaft, Kirche und Politik die Zukunft gehört.