Gott ist die Wahrheit.
11.11.2013

Gott ist die Wahrheit.

SAINTS4LIFE: Edith Stein

Es ist still in der Bibliothek. Nur leises Blättern dringt an meine Ohren. Ich dagegen schimpfe vor mich hin, bis ich das Regal mit der Heiligenliteratur gefunden habe. Und jetzt, wo ich endlich die Literatur von und über Theresa von Avila erspäht habe, höre ich doch nicht auf zu suchen. Mit kleinen Schritten laufe ich das lange Regal ab. Ich lese einen Buchtitel nach dem anderen, meine Finger fahren über jeden einzelnen Buchrücken. Plötzlich rempele ich jemanden an. Völlig aus dem Konzept blicke ich auf und sehe eine zierliche Frau im hellen Kostüm an, die da am Bücherregal lehnt.

Als unsere Blicke sich treffen, lässt mich ihr strenger Blick kurz gefrieren. Erst als sie das Buch geräuschvoll zuklappt, komme ich wieder zu mir. „Suchst Du das hier vielleicht?“, fragt sie mich und lächelt sanft. Ein kurzer Blick auf den Buchtitel sagt mir, dass sie in einer Biographie über Theresa von Avila gelesen hat. „Ich weiß es gar nicht so genau“, ich will ihr das Buch nicht vor der Nase wegschnappen. „Nimm es ruhig, ich kenne es auswendig. Ich lese bloß so gerne darin“ sagt sie und reicht es mir. „Es ist eine tolle Biographie. Ich für meinen Teil habe viel daraus mitgenommen. - Ach, wie unhöflich: Ich heiße übrigens Edith“, ergänzt sie schnell. „Danke! Ich bin Isabella“, sage ich. „Ich wollte gerade eine Pause machen, hast Du Lust auf einen Kaffee?“, frage ich sie etwas überrascht von mir selbst. Aber jetzt wo ich ein Buch gefunden habe, warum nicht?

Auf dem Weg in die Cafeteria blicken unzählige Studenten ob dieses ungleichen Paares von ihren Büchern auf. Sie alle begrüßen Edith mit einem Nicken. Sie erwidert jeden Gruß, ich höre sie dabei leise Namen murmeln. „ Studierst Du hier?“, frage ich sie. Sie lacht leise. „Ich bin hier Dozentin für Philosophie!“ Ich werde rot. „Macht nichts“, sagt sie, „danke für das Kompliment!“ Um mich zu erklären, erzähle ich ihr, dass ich bloß zu Besuch hier in Göttingen bin. „Ich studiere eigentlich in Frankfurt Katholische Theologie.“

Als wir uns an einen kleinen Tisch setzen, habe ich längst vergessen, dass sie Dozentin ist. Ganz begeistert erzähle ich von meinem Studium. Sie ist neugierig und fragt mich immer wieder „Warum?“ Auch, warum ich damals angefangen habe, Theologie zu studieren. Ihr gegenüber fällt es mir plötzlich gar nicht schwer zu erzählen, dass ich auf der Suche nach der ,Wahrheit meines Glaubens‘ war. „Ja, Suche ... Damit“, sagt sie und zeigt auf das Buch, das nun zwischen unseren beiden Kaffeebechern liegt, „war übrigens mein langes Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gesetzt. Theresa von Avila hat mir ihren Gott gezeigt und geholfen, ihm selbst begegnen zu wollen. Ich komme aus einem jüdischen Elternhaus, aber ich war überzeugte Atheistin. Und jetzt? Jetzt bin ich Jüdin und Christin.“ In ihren Worten liegt Freude und Melancholie zugleich. „Ich dachte wirklich lange, dass es Gott nicht gibt. Dabei war meine Suche nach der Wahrheit ein einziges Gebet.“ Ich muss schmunzeln, auch sie grinst. „Ich muss leider zurück in die Vorlesung und meine Studenten mit Thomas von Aquin quälen. Aber vergiss nicht: Gott ist die Wahrheit. Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht. Denk immer an mich, ich wollte die Wahrheit suchen und was habe ich gefunden? Gott!“ Dann reicht sie mir zum Abschied die Hand. Ich schaue ihr noch kurz hinterher, bevor ich das Buch aufschlage. Ich lese Seite um Seite, bin gefesselt von den Erzählungen über diese beeindruckende Heilige. Ja, ich kann Edith nur allzu gut verstehen.

Als ich nach langer Zeit wieder aufblicke, liegt ein Stapel Papier vor mir. Edith musste ihn vergessen haben. Auf dem Deckblatt steht: „Liebe um Liebe. Leben und Wirken der heiligen Teresa von Jesus.“ Von Edith Stein. Ich bin verdutzt. Edith Stein? Ich nehme die Druckversion in die Hand und blättere darin umher. Auf der letzten Seite finde ich schließlich eine Biografie der Autorin.

„Edith Stein (1891-1942) stammte aus einer jüdischen Familie und konvertierte 1922 zum Katholizismus. Sie war Schülerin des Philosophen Edmund Husserl und gehört als engagierte Dozentin und als Vermittlerin zwischen Christen und Juden zu den prägenden Gestalten des 20. Jahrhunderts. Nach einem Berufsverbot trat sie in das Kölner Karmeliterinnenkloster ein. 1942 wurde sie nach Auschwitz deportiert und ermordet. Papst Johannes Paul II. sprach Edith Stein 1998 heilig.“

Isabella Henkenjohann

Unsere JUPA-Mitarbeiterin Isabella Henkenjohann ist für den Bereich "SAINTS 4 LIFE" zuständig und schreibt jeden Monat über eine spannende Begegnung mit einem Heiligen. Vorschläge können an redaktion@jupa-paderborn.de gesendet werden.

Mix

  • "Das Herz befehle"

    "Das Herz befehle"

    Die Glastüren öffnen sich leise. Der Geruch von Desinfektionsmittel schlägt mir entgegen. Finde ich jedenfalls. Meine Mutter sagt immer, ...
  • Andacht: Heimat

    Andacht: Heimat

    My home is, where my heart is.
  • „Er war ein großartiger Bruder!“

    „Er war ein großartiger Bruder!“

    Die Warnleuchte blinkt - langsam schließen sich die Schranken des Bahnübergangs. Meine Fahrradbremsen quietschen, als ich so kurz vor den ...